Starke Kritik am Schweizer Finanzplatz von links und NGO

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Bern,

SP und Grüne sowie mehrere NGO haben den Schweizer Finanzplatz und das geltende Geldwäscherei-Gesetz im Lichte der Veröffentlichungen der «Pandora Papers» stark kritisiert. Sie fordern eine Anpassung der Gesetzeslage. Bürgerliche Parteien sowie Anwaltsverband und Treuhänderverband gaben keine Stellung ab.

Paradeplatz Zürich
Das Zentrum des Schweizer Finanzplatzes, der Zürcher Paradeplatz. Hier legt der Klimastreik als Nächstes Hand an. - sda - KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

SP und Grüne sowie mehrere NGO haben den Schweizer Finanzplatz und das geltende Geldwäscherei-Gesetz im Lichte der Veröffentlichungen der «Pandora Papers» stark kritisiert. Sie fordern eine Anpassung der Gesetzeslage. Bürgerliche Parteien sowie Anwaltsverband und Treuhänderverband gaben keine Stellung ab.

Die SP hat eine parlamentarische Initiative zur «Korrektur» des Geldwäscherei-Gesetzes lanciert. Die Enthüllungen der Pandora Papers zeigten, dass die Schweiz Superreichen und Despoten dabei helfe, ihre Gelder vor dem Fiskus zu verstecken, teilte die SP mit. Umso unverständlicher sei, dass National- und Ständerat in der letzten Frühlingssession Beraterinnen und Berater nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellen wollten.

Mit der «Korrekturinitiative» will die SP das ändern. Die Initiative reicht die Partei in der Rechtskommission des Nationalrats ein und «falls nötig» auch im Nationalratsplenum. «Es war für uns immer klar, dass das Thema Geldwäscherei nicht an Aktualität verlieren wird», sagte Nationalrätin Min Li Marti vor den Medien.

Für die Grünen sind die Pandora Papers «eine weitere Blamage des Schweizer Finanzplatzes». Der Schweizer Finanzplatz bleibe eine Drehscheibe der legalen und illegalen Steuerflucht, dafür habe eine bürgerliche Mehrheit in der vergangenen Frühlingssession gesorgt.

Die Grünen wollen sich in den nächsten Sitzungen der Rechtskommission dafür einsetzen, dass das Parlament «endlich aktiv» wird. Sie fordern Transparenz bei juristischen Personen, Trusts, und weiteren Rechtskonstruktionen sowie eine bessere Kontrolle der Treuhänderinnen und Anwälte.

Laut der Nichtregierungsorganisation (NGO) Public Eye zeigen die Dokumente, in welchem Ausmass die Schweiz weiterhin internationale Steuerhinterziehung und Geldwäscherei erleichtert. Mehr als ein Drittel der von der panamaischen Grosskanzlei Alcogal gegründeten Offshore-Gesellschaften seien mit Schweizer Anwälten und Treuhänderinnen verbunden, so Public Eye. Die NGO hat eine Online-Aktion gestartet, in dem sie den Bundesrat auffordert, die Gesetzeslücken «unverzüglich» zu schliessen.

Auch die Bewegung Klimastreik Schweiz fordert eine genauere Untersuchung und ein sofortiges Ende «dieser schmutzigen Praxis». Die Papers zeigten, dass die Schweiz eine zentrale Rolle in der Finanzierung und Unterstützung der Klimazerstörung spiele.

Das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) hingegen sieht keinen Handlungsbedarf. Die Schweiz erfülle die internationalen Standards gegen Geldwäscherei und Steuerhinterziehung, schrieb es auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Das Geldwäschereigesetz werde laufend neusten Entwicklungen angepasst.

Das Parlament habe das Gesetz vergangenen März mit mehreren Verbesserungen gutgeheissen, jedoch die neue Massnahme zu den Beraterinnen und Beratern abgelehnt, so das SIF.

Dem hält die Transparenzplattform Lobbywatch entgegen, das Parlament habe sich «einlullen» lassen von der Lobby der Anwälte, Treuhänder und Immobilienmakler. Die im Frühling verabschiedete Revision des Geldwäschereigesetzes sei völlig unzureichend gewesen, schreibt Lobbywatch auf Anfrage. Schon aus den letzten Leaks sei klargeworden, dass auch verschiedene Berater dem Geldwäschereigesetz unterstellt werden sollten.

«Im Parlament sitzen selber viele Anwälte und zudem ist die Anwaltslobby stark», sagte auch der emeritierte Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth als Erklärung für das Scheitern im Parlament.

Mark Pieth geht davon aus, dass durch die Veröffentlichung der «Pandora Papers» der internationale Druck auf die Schweiz wächst, ihr Geldwäscherei-Gesetz anzupassen.

Das Parlament werde «kippen» und die Geschäftsanwälte dem Geldwäschereigesetz unterstellen, sagte Pieth gegenüber Keystone-SDA. Der Druck dafür sei international «unheimlich gross».

Druck ausüben wird laut Pieth auch der Bundesrat und die Bankiervereinigung. Letztere sei bereits dem Geldwäschereigesetz unterstellt und interessiert daran, gleich lange Spiesse für die Anwälte zu schaffen, so Pieth.

Die Banken hielten sich strikt an das geltende, strenge Geldwäscherei-Abwehrdispositiv, teilte die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) mit. Reputation und Integrität seien wichtige Schlüsselfaktoren für den Schweizer Finanzplatz. Man habe deshalb immer unterstützt, das Schweizer Abwehrdispositiv weiter zu stärken.

Der ehemalige Leiter der Meldestelle für Geldwäscherei, Daniel Thelesklaf, fordert von den Banken ein noch deutlicheres Bekenntnis zur Streichung des Beraterprivilegs. Die Tätigkeit dieser Branche sei stark mit den Bankensektor verknüpft. So könnten schmutzige Gelder durch die Hintertür in den Finanzkreislauf gelangen.

Die Schweiz sei das einzige Land in Europa, in dem die Berater und Beraterinnen nicht dem Geldwäschereigesetz unterstellt sind. «Natürlich ist das für die Branche ein wichtiger Standortvorteil, und das zieht dubiose Gelder an wie das Licht die Motten», so Thelesklaf. Er fordert den Aufbau einer glaubwürdigen Aufsicht.

Von 2005 bis 2016 haben laut dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) mindestens 26 Schweizer Beratungsunternehmen, Anwaltskanzleien und Notariate Dienstleistungen für Kunden erbracht, deren Offshore-Firmen später von Behörden wegen Geldwäscherei und Korruption untersucht wurden.

In den meisten Fällen hätten die Schweizer Unternehmen die Kunden mit Offshore-Dienstleistern zusammengebracht, so das ICIJ. Gesamthaft sind Informationen über rund 90 Schweizer Unternehmen in den «Pandora Papers» zu finden.

«Die Schweiz spielt eine wichtige Rolle in diesem Handel», sagte Strafrechtler Pieth. Und weiter: «Die Pandora Papers sind ein Replay der Panama Papers.» Der Unterschied sei, dass dieses Mal nicht nur eine Firma, sondern eine ganze Reihe von Firmen betroffen seien.

Aus den am Sonntag veröffentlichten «Pandora Papers» geht hervor, dass hunderte Politikerinnen und Politiker, Amtsträger, Firmenvorstände und Spitzensportler in aller Welt jahrelang Finanzdienstleister genutzt haben, um ihre Vermögen und Wertgegenstände zu verstecken.

Die «Pandora Papers» wurden dem ICIJ von einer anonymen Quelle zugespielt. Etwa 600 Journalistinnen und Journalisten haben die Dokumente für weltweit 150 Medien in den vergangenen zwei Jahren ausgewertet. In der Schweiz gehört Tamedia zum ICIJ.

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