Wie schädlich ist der Einkaufstourismus für die Schweiz?
Die Grenzen sind wieder offen, der Einkaufstourismus zieht wieder an. Dessen Auswirkungen auf die Schweizer Wirtschaft sind vielseitig. Eine Analyse.
Das Wichtigste in Kürze
- Seit dem 15. Juni sind die Grenzen zu unseren Nachbarländern wieder offen.
- Deutsche Händler sind teilweise stark von Einkaufstouristen abhängig.
Jetzt sind die Grenzen wieder offen. Damit zieht nicht nur der berufliche und touristische Verkehr ins Ausland wieder an. Nachdem gestern die Grenzen zu unseren Nachbarländern geöffnet wurden, pilgerten haufenweise Einkaufstouristen ins Ausland.
Wer im Ausland einkauft, spart Geld. Dies zeigt eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz, welche die Initianten der Fairpreis-Initiative in Auftrag gegeben haben.
Zwei Beispiele: Im Schnitt kosten Kleider in Deutschland 20 Prozent weniger als in der Schweiz. Bei Körper- und Gesichtspflegeprodukten liegt der Aufschlag bei 57 Prozent.
Gemäss der Studie könnten Schweizer alleine bei den Kleidern jährlich 1,9 Milliarden Franken sparen. Bei Pflegeprodukten liegt das Sparpotential bei jährlich 292 Millionen Franken.
10 Milliarden Franken für Einkäufe im Ausland
Jährlich kaufen Schweizer für rund 10 Milliarden Franken ennet der Grenze ein. Dieser Wert lag schon höher, die Entwicklung hängt stark vom Franken-Euro-Wechselkurs ab. Trotzdem: Nach wie vor fliesst rund ein Zehntel des Detailhandelsumsatzes ins Ausland.
Die Corona-Krise machte deutlich, wie stark abhängig grenznahe Städte von Schweizer Kundschaft sind. Händler in Süddeutschland verzeichneten teilweise Umsatzrückgänge zwischen 30 und 60 Prozent, weil die Schweizer daheim bleiben mussten.
Der gegenteilige Effekt zeigte sich hingegen in Schweizer Grenzregionen, wie jüngst eine Analyse von Novalytica zeigte. In den Kantonen Thurgau, Baselland und Schaffhausen legten während der Krise die Umsätze mit Debitkarten im zweistelligen Bereich zu. Mit der Grenzänderung dürfte sich dies wohl wieder ändern, trotz Massnahmen Schweizer Detailhändler.
Weniger Personal benötigt
Kaufen Schweizer im Ausland ein, sinken bei inländischen Detailhändler die Umsätze. Kommen weniger Kunden, braucht es auch weniger Personal.
Gemäss einer Rechnung vom Ex-Migros-Chef Herbert Bolliger entspricht eine Milliarde Umsatz im Ausland durch Schweizer Einkaufstouristen rund 3300 inländischen Detailhandelsjobs. Heisst: Der Einkaufstourismus hat hierzulande über 30'000 Stellen gekostet.
Das ist allerdings nur die eine Seite: Sparen Schweizer durch Einkäufe im Ausland, haben sie mehr Geld, das sie anderswo ausgeben können. Etwa für Restaurant- oder Kino-Besuche. Der Detailhandel verliert, doch andere Branchen können profitieren.