Wirtschaftspsychologe: «Coca-Cola wirkt unglaubwürdig»
Coca-Cola spricht sich mit einer Werbekampagne für Vielfalt aus. Wirtschaftspsychologe Christian Fichter findet die Aktion nicht gelungen.
Das Wichtigste in Kürze
- Coca-Cola spricht sich in der Schweiz für eine «bunte Gesellschaft» aus.
- Wirtschaftspsychologe Fichter hält die Aktion des Brause-Herstellers für unglaubwürdig.
Coca-Cola bezieht in der Schweiz Position. Der Brause-Hersteller hat gestern eine Kampagne im Regenbogenkleid lanciert. Titel: «Für eine bunte und diskriminierungsfreie Gesellschaft.»
Man wolle Farbe bekennen, heisst es. Als Abstimmungsempfehlung für das Anti-Diskriminierungsgesetz sieht das Unternehmen die Inserate hingegen nicht.
Die Junge SVP, welche mit anderen das Referendum gegen das Gesetz ergriffen hat, ist empört. Sie spricht von einer «geschmacklosen Aktion» und verweist auf Cola-Alternativen. Gleichzeitig gibt es auch Lob, etwa vom Schwulenverband Pink Cross.
Experte: Werbung von Coca-Cola ist durchschaubar
Der Brause-Hersteller generiert Aufmerksamkeit. Ist die Aktion also gelungen? Nein, findet Christian Fichter, Wirtschaftspsychologe von der Kaleidos Fachhochschule: «Gerade bei einem Multi, der ein ungesundes Produkt herstellt, wirkt solche Tugendprotzerei unglaubwürdig.»
In der Fachwelt spricht man von Virtue Signalling. Dabei werden eigene moralische Werte zur Schau gestellt – in der Hoffnung, dass dies dem Konsumenten gefällt. «Doch die durchschauen das», mahnt Fichter.
Er hält die Aktion für marketingtechnisch ungeschickt. Zwar werden auf der einen Seite Sympathien gewonnen, diese gingen aber auf der anderen Seite verloren.
Dem ist sich wohl auch Coca-Cola bewusst. In der Printausgabe der gestrigen «20 Minuten» wurde nicht nur ein Bekenntnis zur Vielfalt abgedruckt. Auf der Rückseite des Inserats war ein Bekenntnis zur Schweiz. «Um die andere Hälfte der Konsumenten wieder zu besänftigen», so Fichter.
Positive Effekte für das Image
Er hält es grundsätzlich für problematisch, wenn grosse Firmen mit ihren finanziellen Mitteln die öffentliche Meinung beeinflussen. «Was, wenn sie morgen für Werte werben, die uns nicht passen?» Das müsse man sich bei der Beurteilung solcher Aktionen fragen.
Schon immer hätten Unternehmen zu gesellschaftlichen Themen Stellung bezogen, sagt Fichter. «Aber die breite Verfügbarkeit schlecht kontrollierbarer Kommunikationswege hat zu einem zunehmend nervösen Aktionismus vieler Firmen geführt.» Sie würden sich einen positiven Effekt auf das Image erhoffen.
Fichter fällt auf, dass sich Firmen immer nur mit politisch korrekten, vermeintlich breit akzeptierten Werten schmücken. Noch nie habe eine Firma für weniger Vielfalt geworben, obwohl es solche Meinungen auch gäbe. «Von daher ist es ganz klar: Der Marketing-Aspekt steht im Vordergrund.»