GB zu Finanzen: Bürgerliche Polemik entspricht nicht der Realität

Nau.ch Lokal
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Bern,

Der Berner Stadtrat bespricht am 29. Juni 2023 die Jahresrechnung 2022. Ursina Anderegg spricht (GB) über die Rechnung, sowie kommende Herausforderungen.

Ursina Anderegg
Ursina Anderegg, Co-Präsidentin und Stadträtin vom Grünen Bündnis. - Judith Schönenberger

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Jahresrechnung 2022 in Bern schliesst mit einem Überschuss von 14,8 Millionen Franken.
  • Dies entspricht einem um 66,6 Millionen Franken besseren Ergebnis als budgetiert.
  • Am 29. Juni 2023 wird im Berner Stadtrat darüber diskutiert.

Die Jahresrechnung der Stadt Bern erzielte im Jahr 2022 einen Überschuss von 14,8 Millionen Franken. Damit liegt sie 66,6 Millionen Franken über dem Budget.

Jedoch verzeichnet die Stadt trotz des erfreulichen Ergebnisses eine Neuverschuldung von 110 Millionen Franken.

Nau.ch Lokal hat bereits mit Dolores Dana (FDP) über das Geschäft gesprochen. Ursina Anderegg, Co-Präsidentin vom Grünen Bündnis Bern, spricht als Nächstes über die finanzielle Lage der Stadt Bern.

Nau.ch: Die Stadt Bern schliesst das Jahr 2022 mit einem Überschuss von 14,8 Millionen Franken und somit um 66,6 Millionen Franken besser als budgetiert ab. Wie zufrieden sind Sie mit der Jahresrechnung?

Ursina Anderegg: Wir sind insofern zufrieden, weil auch diese Bilanz aufzeigt, dass der städtische Haushalt stabil ist. Die Steuereinnahmen entwickeln sich nach oben.

Die Polemik um das budgetierte Defizit und die behaupteten «tiefroten Stadtfinanzen» zielt völlig an der Realität vorbei: In den letzten 10 bis 15 Jahren hat die städtische Rechnung mit wenigen Ausnahmen immer zwischen 20 und 67 Millionen Franken positiver als budgetiert und mit einem Überschuss abgeschlossen.

In den letzten Jahren waren verschiedene Unsicherheiten im Raum (Steuerschwankungen, Pandemie) und es wurden zu grosse Sparpakete geschnürt.

Die heutigen Zahlen zeigen, dass die Stadt finanziell stabil ist. Die Stadt muss nun dringend in den Klimaschutz und die Armutsbekämpfung investieren. Hier stehen wir vor riesigen Herausforderungen für die aktuellen und nächsten Generationen.

Nau.ch: Trotz des positiven Ergebnisses ergab sich eine Neuverschuldung von 110 Millionen Franken. Wie gedenken Sie das Problem der Verschuldung anzugehen?

Ursina Anderegg: Die Höhe der Neuverschuldung ergibt sich über die Tatsache, dass die Stadt momentan fast ein dreifach so hohes Investitionsvolumen hat wie vor ein paar Jahren.

Sie muss momentan viele Infrastrukturprojekte vorantreiben: Zum Beispiel der Unterhalt von Leitungen und Brücken aufgrund deren Alter oder der Bau von Schulraum, um auf die steigenden Kinderzahlen zu reagieren.

Entsprechend steigt auch die Verschuldung nun temporär an, die Zinslast bewegt sich aktuell auf einem gut stemmbaren Niveau. Wir sehen keinen Grund, eine Schuldenbremse einzuführen in der momentanen Situation.

Zudem: Wir dürfen nicht auf dem Rücken der kommenden Generationen sparen, nur mit dem eindimensionalen Ziel, Schulden zu vermeiden. Die Klimakrise spitzt sich massiv zu und die Armut wächst in der Schweiz momentan mehr als bedrohlich an.

Wenn wir dem nicht jetzt mit aller Kraft entgegenhalten und entsprechend Ressourcen sprechen, wird das die kommenden Generationen teuer zu stehen kommen.

Nau.ch: Sehen Sie sonstigen konkreten Handlungsbedarf bei der Finanzstrategie der Stadt Bern?

Ursina Anderegg: Wir müssen in der Stadt finanzpolitisch wieder vermehrt auf eine faktenbasierte Ebene kommen und über eine inhaltliche Priorisierung reden.

Die bürgerlichen Parteien versuchen durch ihre Polemik die Behauptung aufrechtzuerhalten, dass die Stadt kurz vor ihrem finanziellen Ruin steht – sehr erstaunlich nach einem Rechnungsabschluss, der 67 Millionen Franken positiver abschloss als erwartet.

Es gilt nun Jahr für Jahr zu schauen, wie sich der Finanzhaushalt tatsächlich entwickelt und den finanziellen Spielraum noch mehr auszuweiten, damit wir die aktuellen genannten Herausforderungen zukunftsgerichtet anpacken können.

Konkret braucht es zum Beispiel Druck auf den Kanton, der immer mehr Lasten auf die Gemeinden abwälzt, oder wir sollten darüber diskutieren, ob das vom Gemeinderat vorgeschlagene Investitionsvolumen in diesem Tempo an allen Stellen Priorität hat.

Zur Person

Ursina Anderegg (42) ist Co-Präsidentin und Stadträtin vom Grünen Bündnis und Mitglied der stadträtlichen Finanzkommission.

Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Abteilung für Chancengleichheit der Uni Bern und wohnt in Bern.

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