Thurgau: Obligatorische Frühförderung für Kinder mit Sprachdefiziten
Im Thurgau können Kinder mit sprachlichen Defiziten in Zukunft zum Besuch von vorschulischen Förderangeboten verpflichtet werden. Der Grosse Rat sprach sich am Mittwoch in erster Lesung dafür aus, ein selektives Obligatorium im Volksschulgesetz zu verankern.
Aus Kindergärten, Kindertagesstätten (Kitas) und Spielgruppen werde vermehrt von Kindern mit einer ungenügenden Sprachkompetenz oder mit Verhaltensauffälligkeiten berichtet, begründete die Regierung. Die frühe Förderung soll die obligatorische Schule entlasten und die Chancengleichheit in der Schule verbessern.
Anders als mit den bestehenden freiwilligen Angeboten, will die Regierung mit dem selektiven Obligatorium die Erreichbarkeit aller Kinder gewährleisten. Dazu sollen die Schulgemeinden in Zukunft bei allen Dreijährigen die Sprachkenntnisse erheben. So können sie entscheiden, wer zum Förderangebot verpflichtet wird.
Umstritten war eine Bestimmung im geänderten Volksschulgesetz, wonach Eltern, deren Kinder zu einem Förderangebot verpflichtet werden, dafür je nach ihrem Einkommen bis zu 800 Franken im Jahr bezahlen sollen. Einen Antrag, diese Kostenbeteiligung zu streichen, lehnte der Rat mit klarer Mehrheit ab.
Der Antragsteller hatte die Befürchtung geäussert, die Kostenbeteiligung könnte von betroffenen Eltern gerichtlich angefochten und im Kontext des unentgeltlichen Volksschulunterrichts als verfassungswidrig eingestuft werden. Dieser Einwand war bereits in der Vernehmlassung gemacht worden.
Die Mehrheit des Rats liess sich davon nicht beeindrucken. Das selektive Obligatorium für eine Frühförderung falle nicht in die obligatorische Schulzeit, sagte der Präsident der vorberatenden Kommission. Auch Bildungsdirektorin Monika Knill (SVP) sprach sich für die Möglichkeit einer Kostenbeteiligung aus.
Der Thurgau war Ende 2017 wegen einer ähnlichen Bestimmung vom Bundesgericht zurückgepfiffen worden. Damals ging es um obligatorische Deutschkurse für Schülerinnen und Schüler der Volksschule. Der Kanton wollte dafür Elternbeiträge erheben. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dies sei nicht zulässig.