Partner: «Da chönnt ja jede cho!»
Grandios gespielte Unterhaltung, die zum Nachdenken anregt: Genau das bietet das diesjährige Theaterstück von Livia Anne Richard und Christoph Keller.
In «Da chönnt ja jede cho!» dreht sich alles um den Schweizer Pass – auch beim imposanten Bühnenbild: Im Zentrum steht ein grosses Schweizer Kreuz. Darin befinden sich die fünf Wohnungen eines Mehrfamilienhauses.
Erzählt werden viele Geschichten, darunter auch jene der Anna Ngannou, die sich inmitten ihres Einbürgerungsverfahrens befindet.
Gespielt wird sie von Cecilia Ngafor Fri, die genau solche Situationen selbst erlebt hat und immer noch erlebt: Obwohl sie in der Schweiz aufgewachsen ist und in Deutschland studiert, muss sie den Behörden als eine von vielen formellen Anforderungen immer noch Sprachnachweise erbringen.
Dass sich diese von Gemeinde zu Gemeinde unterscheiden können und möglicherweise auch viel Subjektivität mitschwingt, zeigt im Stück unter anderem eine Jasszene, in welcher die «wichtigen» Leute frei Schnauze über laufende Verfahren plaudern und so beiläufig über das Schicksal anderer entscheiden.
«Da chönnt ja jede cho!» verpackt viele nachdenklich stimmende Themen in eine unterhaltsame Realsatire mit zahlreichen Wiedererkennungseffekten: Der bärbeissige Hauswart Wale Wüthrich (gespielt von Theo Schmid) erscheint einem genauso bekannt wie die Deutsche Barbara (Beatrix Castellote-Iselin) von nebenan.
Das neue Stück ist auch ein persönliches, politisches Statement
Wer nun sofort an «Die Schweizermacher» denkt, der tut «Da chönnt ja jede cho!» Unrecht. Der Film von Rolf Lyssy steht lediglich am Ursprung des Projekts. Drei Zuschauerinnen äusserten 2022 während der Spielzeit von «flöört.ch», dass dieser Stoff doch auch mal auf den Gurten gehöre.
Livia Anne Richard kam jedoch schnell zum Schluss, «dass der Film sehr viel Staub angesetzt hat.» Weil die Thematik aber aktueller ist denn je und sie wusste, dass sich auch Christoph Keller, intensiv mit diesen Themen auseinandersetzt, nutzte sie die Gelegenheit und schrieb mit ihm zusammen ein völlig neues Stück.
Entstanden ist ein persönliches, politisches Statement in Form einer Realsatire: «Mir geht es in meinen Stücken immer darum, Menschlichkeit und gegenseitige Toleranz zu fördern. Dies erreicht man nicht mit der Moralkeule, sondern mit Humor», so Richard.
Spiegelblick in Hinterschnösligen
So bringt der Titel des Stücks das Thema denn auf den Punkt: Wenn wir Schweizer:innen sagen «Da chönnt ja jede cho!», meinen wir damit das genaue Gegenteil.
So ist das auch bei oben erwähntem Hauswart, Wale Wüthrich: Integration kommt für ihn von Integrität und alle, die ihm fremd sind, stehen schon mal unter Generalverdacht. Die Hausgemeinschaft hat gelernt, den «Wale» so zu nehmen, wie er halt ist und straft ihn vorzugsweise mit gelassener Ignoranz.
Der bitternötige Blick in den Spiegel rückt für Wale immer näher und bringt ihm schliesslich eine Erkenntnis, mit der er nun so gar nicht gerechnet hatte…
«Da chönnt ja jede cho!» lädt die Menschen ein, während 90 Theaterminuten über Wale's Schultern in den Spiegel zu blicken.
Gespielt wird vom 27. Juni bis zum 31. August, jeweils um 20.30 Uhr. Tickets und alle weiteren Informationen gibt es unter www.theatergurten.ch
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Nau.ch ist Medienpartnerin des Theater Gurtens.