Cyprien Louis (Grüne): «Et pour les romands c’est la même chose»
Eine der Herausforderungen der Wahlen für den Kanton Bern ist die Vertretung seiner französischsprachigen Bevölkerung. Ein Gastbeitrag.
Das Wichtigste in Kürze
- Der französischsprachige Teil des Kanton Bern ist im Nationalrat untervertreten.
- Das soll sich bei den nächsten eidgenössischen Wahlen im Oktober ändern.
- Ein Gastbeitrag von Cyprien Louis, Co-Präsident der Grünen im Kanton Bern.
- «Et pour les romands c’est la même chose» – «Und für die Romands ist es dasselbe».
Die Vertretung der sprachlichen und kulturellen Minderheit, die aus den in der Stadt Biel und im Berner Jura lebenden Romands besteht, auf nationaler Ebene wird eine der grossen Herausforderungen des Kantons Bern bei nächsten eidgenössischen Wahlen sein.
Der grosse und äusserst vielfältige Kanton Bern muss sich als Spiegel der Schweiz präsentieren, mit Brücken, die zwischen Stadt und Land, zwischen Zentren und Agglomerationen sowie zwischen seinen beiden Sprach- und Kulturgemeinschaften gebaut werden.
Es wird manchmal vergessen, doch der Kanton Bern ist tatsächlich zweisprachig. Zehn Prozent seiner Bevölkerung spricht Französisch als Muttersprache. Insgesamt sind wir nicht zu bedauern, denn der Kanton unternimmt erhebliche Anstrengungen im Bereich der Zweisprachigkeit.
Die Artikel 4 und 5 unserer Kantonsverfassung garantieren uns einen besonderen Platz und das Gesetz über den Sonderstatus vom 13. September 2004 stellt uns wichtige politische Instrumente zur Verfügung, die es uns ermöglichen, aktiv am politischen Leben des Kantons teilzunehmen und unsere sprachliche und kulturelle Besonderheit zu bewahren.
Ich denke hier insbesondere an den Conseil du Jura bernois, den ich die Ehre hatte, im Legislaturjahr 2022/2023 zu präsidieren, und den Rat für französischsprachige Angelegenheiten des Verwaltungskreises Biel/Bienne. Beispielsweise ist der Conseil du Jura bernois für den Regierungsrat im Rahmen des Projekts «Avenir Berne Romande» von grossem Nutzen.
Dieses Projekt hat zum Ziel, die französischsprachige Komponente des Kantons aufzuwerten und seine Verankerung als Brücke zwischen der Deutschschweiz und der Romandie zu stärken.
Aber die kantonale Politik hat nicht alle Kompetenzen und kann somit auch nicht alle Probleme lösen. Zudem sollte jede Region auf nationaler Ebene vertreten sein und gehört werden. Noch vor einigen Jahrzehnten war die Vertretung des französischsprachigen Bezirks Berner Jura und der im Bezirk Biel/Bienne lebenden Französischsprachigen kein Problem, doch seit einigen Jahren ist dies nicht mehr der Fall.
So wurde bei den eidgenössischen Wahlen 2019 kein französischsprachiger Kandidat aus dem Kanton Bern gewählt. Diese Situation hat sich glücklicherweise nach der Wahl von Albert Rösti in den Bundesrat leicht verbessert, der im Nationalrat von Manfred Bühler (Corgémont), dem damaligen ersten Nachrücker der Berner SVP, abgelöst wurde.
Doch keine regionale Minderheit sollte sich auf solche Ereignisse verlassen müssen, um vertreten zu sein, zumal die Französischsprachigen im Norden des Kantons proportional zu ihrer Bedeutung von zwei bis drei gewählten Personen profitieren sollten.
Zwei Gründe für Unterrepräsentation
Es gibt zwei Gründe für diese Unterrepräsentation. Der erste, und das muss man zugeben, ist, dass in unsere Region sich nicht genügend mobilisiert wird.
Tatsächlich befanden sich 2019 Biel/Bienne und der Berner Jura mit wechselseitig 38.8 Prozent und 36 Prozent auf den beiden letzten Plätzen der Rangliste der Wahlkreise in Bezug auf die Wahlbeteiligung.
Zum Vergleich: Bern-Mittelland hält den Rekord mit 52.3 Prozent und der kantonale Durchschnitt lag bei 47.4 Prozent. Dieser Befund wiegt schwer, da die Wählerinnen und Wähler dazu neigen, für regionale Kandidaten zu stimmen, was diese begünstigt.
Eine Hypothese könnte sein, dass wir in einem Kanton französischsprachig sind, in dem die politische Aktualität mehrheitlich von der Deutschschweiz geprägt ist.
Die zweite Erklärung liegt darin, dass es für französischsprachige Kandidatinnen schwieriger ist, bei der deutschsprachigen Bevölkerung des Kantons sichtbar und verständlich zu sein.
Die kürzliche Ernennung mehrerer französischsprachiger Personen in kantonalen Parteipräsidien hilft, die Situation etwas zu verbessern, aber alle Parteien können die Dinge im Rahmen der Kampagne auch selbst in die Hand nehmen. Die Delegiertenversammlung der Grünen Kanton Bern hat zum Beispiel beschlossen, eine spezifische Kampagne für ihre beiden französischsprachigen Kandidaturen zu organisieren.
Eine andere Möglichkeit wäre, einen Romand unter den Spitzenkandidaten und -kandidatinnen einer Partei zu platzieren. Es ist wichtig, dass diese Bemühungen zugunsten von Kandidaten und Kandidatinnen unternommen werden, die eine echte Chance haben, gewählt zu werden, das heisst die auf der Hauptliste der Partei stehen.
Ganz im Gegensatz zur Unterliste «Frankophon&Frankophil» der Grünliberalen, die nur geschaffen wurde, um die Wahl von Deutschsprachigen zu fördern, die auf der Hauptliste stehen. Aber sagen wir es so: Sie hat zumindest den Vorteil, dass über das Thema gesprochen wird.
In diesem Jahr werden weitere Aktionen unternommen, um die Bevölkerung im ganzen Kanton Bern dazu zu bringen, die Kandidaturen aus der Romandie zu unterstützen, und das ist sehr erfreulich. Ich denke hier insbesondere an die von BERNbilingue ins Leben gerufene Kampagne.
Auch im Berner Jura bündeln sich die Kräfte: Die Gemeinden werden ihre Wählerschaft zum Urnengang auffordern und ein Marketingkomitee, in dem alle an den Wahlen beteiligten Regionalparteien vertreten sind, wurde gegründet. Wir brauchen diese wichtige Mobilisierung und auch die Unterstützung der deutschsprachigen Wähler und Wählerinnen, damit wir uns nicht an den Satz erinnern, den so viele junge Militärrekruten in mehrheitlich deutschsprachigen Kompanien gehört haben: «Et pour les romands c’est la même chose.»
Diese Bemühungen sind für den Berner Jura von grösster Bedeutung. Nicht nur, weil wir Französisch sprechen, sondern weil unsere Region politische Multiplikatoren braucht, um ihre Interessen in Themenbereichen vertreten zu können, für die der Kanton weniger oder gar nicht zuständig ist.
Ich denke dabei insbesondere an unseren öffentlichen Verkehr, dessen Angebot noch keineswegs zufriedenstellend ist, an Baustellen im Zusammenhang mit der nationalen Infrastruktur, deren Koordination und Verwaltung manchmal herausfordernd ist, oder auch an unsere zahlreichen Viehzüchter, die im Vergleich zu ihren Kollegen in den Alpen viel weniger staatliche Unterstützung für den Schutz ihrer Schafe vor der Rückkehr des Wolfs in den Jurabogen erhalten können.
Interessen vertreten, aber auch lokale Lösungen hervorheben: Der Berner Jura ist ein Pionier im Bereich der Umstellung auf erneuerbare Energien und forscht in diesem Bereich, während er gleichzeitig eine extrem gut erhaltene Umwelt und Landschaft bewahren konnte. Ein inspirierendes Modell, das es zu exportieren gilt!
Zum Autor: Cyprien Louis ist Co-Präsident der Grünen Kanton Bern und kandidiert für den Nationalrat.