Stadt Zürich

«Ein Künstlerleben in Zürich zu führen, wird zunehmend unmöglich»

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Zürich,

In Zürich leben so viele Menschen wie zuletzt im Jahr 1963. Daniel Strässler ist vor Ende der 90er-Jahre vorsorglich aus dem Kreis 5 nach Oerlikon gezogen.

Daniel Strässler
Daniel Strässler wohnt in einem dreistöckigen Reiheneinfamilienhaus. Alleine zwei Zimmer zu beanspruchen, sei aber nicht seine ideale Vorstellung vom Wohnen. - Tsüri.ch / Lara Blatter

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Künstlerleben in Zürich wird durch teure Mieten zunehmend unmöglich.
  • Daniel Strässler kämpft als Musiker mit finanziellen Schwierigkeiten.
  • Die Wohnungsnot in Zürich verschärft das Problem.

Seit gut 25 Jahren wohnt Daniel Strässler in derselben städtischen Wohnung nahe dem Berninaplatz. Dinge wie Ausbaustandard oder Sauberkeit sind für ihn zweitrangig, lieber investiert er seine Zeit in seine Leidenschaft, die Musik. In seiner Stube, die gleichzeitig auch sein Aufnahmestudio ist, tüftelt Daniel Strässler an seinen Kompositionen.

Die sphärischen Lieder, die irgendwo in den Genren Instrumental, Ambient und Electro zu verordnen sind, spielen im Hintergrund. «Diese Stelle ist von Nils Petter Molvaer», sagt er stolz über seine Zusammenarbeit mit dem norwegischen Trompeter, als der Song «When Things Fall Apart» ertönt.

Strässler erzählt von seinem neuesten Soloprojekt «Lyric Echoes», springt im Gespräch zur städtischen Velopolitik und kommt dann wieder zurück zur Musik. Sein Leben sei von diversen Stationen und Abschnitten geprägt gewesen, die Musik der stetige rote Faden.

So kam es auch, dass der 55-Jährige vor vier Jahren seinen Job bei der Gewerkschaft Syndicom kündigte. «Ich hatte neben der Festanstellung zu wenig Zeit für Musik», sagt er. Die Entscheidung bereut er nicht. Dennoch ist er aktuell wieder auf Jobsuche, das Musikbusiness sei ein hartes Pflaster und sein Erspartes aufgebraucht.

Wie hoch ist dein monatlicher Mietzins?

Ich bezahle 510 Franken.

Belastet dich die Miete finanziell?

Aktuell bin ich gerade in einer finanziell schwierigen Lage, da ist jeder Kostenpunkt eine Belastung, aber bei monatlich 510 Franken in Zürich darf ich mich nicht beklagen.

Seit wann wohnst du hier?

Seit 1998, also seit genau 25 Jahren.

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Musikalische Gegenstände prägen sein Zuhause. - Tsüri.ch / Lara Blatter

Wie bist du zu deiner Wohnung gekommen?

Eine Kollegin hat mir die Wohnung damals vermittelt. Zuvor habe ich an der Josefstrasse gewohnt. Dort hat es mir natürlich besser gefallen! Da ich aber gerochen habe, dass der Kreis 5 immer hipper wird, bin ich weggezogen, als ich die Chance auf eine städtische Wohnung hatte. Eine weise Entscheidung. Denn die Liegenschaft der Livit ist mittlerweile natürlich saniert worden. Meine Existenz hängt an der günstigen Miete. Ein Künstlerleben in Zürich zu führen, wird zunehmend unmöglich durch die teuren Mieten.

Was magst du an deiner Wohnung – und was nervt?

Das Tolle an meiner Dachwohnung ist der Parkettboden, dass das alte Haus mit Baujahr 1920 einen Garten hat und natürlich der tiefe Mietpreis. Auch schätze ich die Nähe zum Wald und dem Irchelpark. Und was ältere Liegenschaften mit sich bringen: Sie sind sehr ringhörig. Das Quartier nehme ich dafür eher als kleinbürgerliches «Milieu» wahr, es lebt kaum. Es fehlt an einem Treffpunkt oder Begegnungsorten ohne Konsumzwang. Täglich ertönen Laubbläser und Rasenmäher. Die Pflege der Grünflächen wird in der Umgebung sehr konservativ betrieben. Alles, was nur schon den Anschein macht von Unkraut, kommt weg. Nicht aber in meinem Garten!

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«Seit ich mich um den Garten kümmere, ihn punktuell verwildern lasse, haben wir wieder Igel», erzählt Daniel Strässler. - Tsüri.ch / Lara Blatter

Wie hat sich das Quartier verändert, seit du hier eingezogen bist?

Das Quartier hat sich nur wenig verändert. Allerdings nehme ich wahr, dass zunehmend alte Liegenschaften abgerissen werden und immer mehr Neubauten entstehen. Ich gehe davon aus, dass auch hier die Mietpreise stetig steigen.

Wie gut kennst du deine Nachbar:innen?

Nicht sehr gut. Mit einem Paar habe ich regelmässigen Kontakt – eher kürzere Gespräche, wir verstehen uns gut. Eine Familie lebt eher zurückgezogen. Sie kommen aus Bangladesch und sprechen kaum Deutsch. Wir verständigen uns auf Englisch, so gut es geht. Die Begegnungen sind nett, wenn auch selten. Eine weitere Familie grüsst mich nicht mehr. Das ist eine längere Geschichte und nicht unbedingt erwähnenswert.

Hast du Angst davor, aus deiner Wohnung zu müssen?

Mein Zuhause ist zum Glück kein Renditeobjekt. Ich habe darum keine Angst. Würde ich nicht in einer städtischen Wohnung wohnen, wäre ich aber sehr besorgt.

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Lieber ein altes Bad statt eine hohe Miete, denn sonst könnte sich der 55-Jährige sein Künstlerdasein nicht leisten. - Tsüri.ch / Lara Blatter

Wenn du wählen könntest: Wie und wo in Zürich würdest du am liebsten wohnen?

Am liebsten (wieder) im Kreis 5, oder auch 4 und 3. Eine coole WG wäre mal wieder toll oder eine Bude, in der es spannende Mitbewohner:innen gibt.

Haben Sie auch schon einmal in einer WG gewohnt?

Viele sagen, in Zürich herrscht aktuell Wohnungsnot – wie nimmst du das wahr?

Nehme ich genauso wahr. Der Leerwohnungsstand ist unglaublich tief. Das ist mittlerweile für Nichtvermögende ein echtes Problem. Da wir eine links-grüne Mehrheit in Zürich haben, wäre es höchste Zeit, dass auch in der Wohnungspolitik eine Wende eingeleitet wird – wie auch bei der Verkehrspolitik.

Dein ultimativer Tipp für die Wohnungssuche?

Da bin ich ratlos …

«Aus ideologischen Gründen bezahle ich nicht gerne Miete.»

Wohnzimmer oder Balkon?

Beides.

Ämtliplan oder Putzpersonal?

Ämtliplan, aber locker angewendet.

Mieten oder kaufen?

Aus ideologischen Gründen bezahle ich nicht gerne Miete. Darum am besten besetzen statt kaufen und sonst mieten. Gewohnt habe ich nie in einer Besetzung, doch als junger Mann bin ich im Wohlgroth-Areal verkehrt. Die Kreativität explodierte da! In der neuesten Zürcher Besetzung, der Post, war ich noch nicht, aber ich finde das der Hammer.

Trampelnde Kinder oder tanzende Erwachsene?

Beides gut.

Gross-WG oder 1-Zimmer-Wohnung?

Angeschriebenes Essen im Kühlschrank oder alles für alle?

Alles für alle.

Hinweis: Dieser Artikel ist zuerst bei Tsüri.ch erschienen. Autorin Lara Blatter ist in der Co-Geschäftsleitung und Redaktorin beim Zürcher Stadtmagazin.

Kommentare

User #5696 (nicht angemeldet)

Tischler stellt ein Produkt her oder Repariert es und verdient Geld damit da Nachfrage von Kunden. Künstler? Na ja...

User #3553 (nicht angemeldet)

Es wäre sicher mal endlich an der Zeit Booking und co zu verbieten und weniger Büros zu bauen die keiner in Anspruch nimmt

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