Seit einem halben Jahrhundert geht das Theater Kanton Zürich in die Gemeinden hinaus: Gerade weil die Mobilität und das Unterhaltungsangebot zugenommen haben, braucht es dieses noch immer, zeigt sich Betriebsleiter Manuel Gasser im Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA überzeugt. «Wir bieten im Dorf die Plattform, sich zu treffen.»
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Eine Bühne. (Symbolbild) - Pixabay

Keystone-SDA: Das Theater Kanton Zürich feiert sein fünfzigjähriges Bestehen mitten in der Coronakrise, die den Kulturbetrieb besonders hart getroffen hat. Können Sie überhaupt guten Gewissens feiern?

Manuel Gasser: Die Pandemie ist ein gewichtiger äusserer Faktor, von dem auch wir nicht verschont geblieben sind. Gleichzeitig darf man aber gerade in einer so herausfordernden Zeit nicht vergessen, dass eine Krise wie die derzeitige Pandemie nicht alles bestimmt. Das Theater wird 50 Jahre alt, unabhängig von den äusseren Umständen. Und das darf auch gefeiert werden.

Keystone-SDA: Können die Feiern überhaupt stattfinden?

Gasser: Wir haben die Feierlichkeiten den gültigen Sicherheitsbestimmungen angepasst und etwas redimensioniert. Es gilt natürlich die Zertifikatsflicht. Grundsätzlich können wir die geplanten Events aber durchführen.

Keystone-SDA: Gab es bei den Theaterproduktionen Verzögerungen?

Gasser: Die Premiere der «Dreigroschenoper» von Bertolt Brecht, die wir vergangene Saison für die Jubiläumsfeierlichkeiten geplant hatten, mussten wir wegen der Pandemie dreimal verschieben. Ausserdem wurde die Produktion den Umständen angepasst, zum Beispiel mit einem kleineren Orchester als geplant. Mit der ursprünglich vorgesehenen Anzahl an Mitwirkenden war das Proben auf unserer Bühne zwischenzeitlich gar nicht erlaubt.

Keystone-SDA: Stichwort verkleinerte Produktion: Aus dem Geschäftsbericht 2019/20 geht hervor, dass Sie unter dem Strich mehr verdient haben als in den Vorjahren. Hat Ihnen die Pandemie ein Stück weit in die Hände gespielt?

Gasser: Nein, denn der Überschuss dient als Reserve, um allfällige Effekte der Pandemie abzufedern. Aber dass es einen Überschuss gab, liegt natürlich schon daran, dass wir auf der Aufwandsseite viel gespart haben. Wenn wir nicht spielen, fallen auch viele Kosten weg. Zudem haben wir weniger Werbung geschaltet und keine Investitionen getätigt. Dazu kommt, dass wir in dem angesprochenen Geschäftsjahr wegen der Pandemie ein Stück streichen mussten. Die ganze Produktion hätte mehrere 10'000 Franken gekostet, die dadurch weggefallen sind.

Keystone-SDA: Was ist mit den Personalkosten?

Gasser: In der Zeit, in der effektiv alle zuhause bleiben mussten und man nicht mehr proben konnte, haben wir Kurzarbeit gehabt. Mit den eingesparten Kosten durch die Kurzarbeit konnten wir die ertragsseitigen Ausfälle aber nur knapp kompensieren, da wir keine anderweitigen Ausfallentschädigungen geltend gemacht haben.

Keystone-SDA: Die Krise war ja durch alle Sektoren hinweg zu spüren. Haben sich Sponsoren zurückgezogen?

Gasser: Nein, wir haben starken Rückhalt erlebt von unseren Sponsoren. Unsere Hauptsponsorin, die ZKB, hat uns schnell klar gemacht, dass wir uns keine Sorgen machen müssen über den Sponsoring-Beitrag. Auch der Kanton hat uns die Subventionen nicht gekürzt. Das ist kein selbstverständliches Privileg, Sponsoren hätten schliesslich auch sagen können: «Ihr konntet euren Teil der Abmachung nicht einhalten, wir zahlen weniger.»

Keystone-SDA: Und die Gemeinden?

Gasser: Von ihnen haben wir sehr viel Solidarität erfahren. Die Genossenschaftsbeiträge, die vor allem von den Gemeinden kommen, machen etwa 10 Prozent unseres Totalertrages aus. Würde eine der aktuell etwas über 80 Mitgliedsgemeinden aussteigen, wäre das kein schwerer finanzieller Schaden. Aber es wäre natürlich bedauerlich für uns als Institution. Denn wir sind das «Theater für den Kanton Zürich» und wollen in möglichst vielen Gemeinden präsent sein.

Keystone-SDA: Wo liegen die Schwächen des Theaters Kanton Zürich?

Gasser: Eine Herausforderung ist das Wachstum. Das Theater spielt sehr viele Vorstellungen für die Grösse und Kapazität seiner Struktur und Personaldecke. So, wie wir jetzt sind, können wir aber organisch nicht mehr viel wachsen. Unsere Lastwagen, unsere Crew und unsere Techniker können pro Tag an einem Ort sein. Würde man mehr Vorstellungen spielen wollen, bräuchte man gleich eine Doppelbesetzung.

Keystone-SDA: Das Theater Kanton Zürich hatte von Anfang an das Ziel, Kultur in die Gemeinden zu bringen. Vor 50 Jahren gab es aber noch nicht so ein grosses Angebot, kein Netflix, keine PC-Games und man war auch nicht in 20 Minuten in der Stadt. Funktioniert die Idee des Theaters für die Gemeinden heute noch?

Gasser: Gerade weil es heute viel mehr Alternativen gibt und die Mobilität zugenommen hat, ist das Theater umso wichtiger. Wenn wir in einem Dorf spielen, kommen dort die Leute zusammen, die im gleichen Quartier oder im gleichen Dorf wohnen. Wir bieten ihnen eine Plattform, sich zu treffen. Und wir erreichen Menschen, die keine weiten Reisen für einen Theaterbesuch unternehmen würden und nur deswegen kommen, weil sie andere kennen und es um die Ecke stattfindet.

Keystone-SDA: Kommt denn die Generation Netflix überhaupt ins Theater?

Gasser: Möglicherweise hätte eine Journalistin die Frage nach der Alterszusammensetzung des Publikums schon beim zehnjährigen Jubiläum vor 40 Jahren gestellt. Weil Sprechtheater vermutlich schon damals das Image hatte, eher ältere Leute anzuziehen. Aber das trifft nicht zu, die Bandbreite der Altersgruppen ist sehr gross.

Keystone-SDA: Aber von meinem letzten Theaterbesuch weiss ich, dass Jugendliche oft keine Lust auf Theater haben.

Gasser: Viele haben andere Sachen im Kopf, wie wir es ja in dem Alter auch hatten. Aber trotzdem bleibt von einem Theaterbesuch mit der Schule etwas hängen. Wie es aussieht, welcher «Groove» herrscht, wer dort ist. Das nehmen die jungen Leute mit, auch wenn sie nicht von der ersten bis zur letzten Minute konzentriert sind.

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