Ein Bär und ein Tiger werben für ein Ja zur Palmöl-Vorlage. Stirnrunzeln bei den Grünen, denn: «Es macht keinen Sinn!»
Abstimmung Freihandel Palmöl Indondesien
Das «Abstimmungsbüchlein» und die Kampagnenzeitung der Befürworter des Freihandelsabkommens mit Indonesien. - zvg / Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Erneut sollen Tiere das Stimmvolk von Argumenten überzeugen.
  • Dass Tiger und Bär für das Freihandelsabkommen mit Indonesien werben, irritiert einige.
  • Nicht zuletzt deshalb, weil es in der Schweiz gar keine Bären gibt.
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Kennen Sie den Schweizer Bären? Nein, wir meinen nicht das Wappentier der Berner. Oder dasjenige der Appenzeller, welches meist verkleidet als süsser Biber daherkommt, meist kleinwüchsig ist und darum Biberli heisst. Auch nicht Bär «Lumpaz» alias «JJ2», der als verschollen gilt und ausserdem, wie alle anderen hierzulande gesichteten Artgenossen, Migrationshintergrund hat.

Tiger Bär Indonesien Kampagne
Kampagnen-Sujets der Befürworter des Freihandelsabkommens mit Indonesien. - zvg / Nau.ch

Sondern den Schweizer Bären, der als exemplarisches Exemplar Abstimmungskampagne macht als Symbol für die Schweiz. Kennen Sie nicht? Wir haben eben auch gerade etwas Mühe.

Tierischer Abstimmungskampf

Auf den Hund gekommen ist die Schweizer Polit-Werbung schon länger. Willy der Berner Sennenhund kam als SVP-Maskottchen komplett mit Song, Game, Comic und Plüschtier-Inkarnation daher. Bei der Konzernverantwortungsinitiative biss sich ein Bernhardiner in den eigenen Schwanz. Wo doch jedes Kind weiss, dass sich sprichwörtlich die Katze in den eigenen Schwanz beisst.

Willy Blocher Konzernverantwortungsinitiative Gössi
SVP-Maskottchen Willy präsentiert einer Rede von alt Bundesrat Christoph Blocher im September 2015 in Neuenburg (links), FDP-Präsidentin Petra Gössi vor einem Plakat gegen die Konzernverantwortungsinitiative Konzernverantwortungsinitiative im September 2020 in Bern. - Keystone

Jetzt also ein Bär – und doch noch eine Katze. Eine Grosskatze: Im Abstimmungskampf um das Freihandelsabkommen mit Indonesien soll das südostasiatische Land mit einem Tiger symbolisiert werden. Bär und Tiger umarmen und freuen sich über gelungene Exporte durch den Tunnel zwischen Schweiz und Indonesien (ja, ein Tunnel). Oder sie räumen gemeinsam symbolisch «Handelshemmnisse» auf Hochgebirgs-Säumerpfaden aus dem Weg, an der Grenze zwischen unseren beiden Ländern.

«Macht keinen Sinn»

Schon beim Abstimmungskampf um die Begrenzungsinitiative überboten sich Befürworter und Gegner mit absurden Kampagnen-Sujets. Während ein Tier als Maskottchen traditionell akzeptiert ist, wird es beim Konzernverantwortungsbernhardiner schon schwieriger. Gar keine Gnade kennt der Generalsekretär der Grünen, Florian Irminger, dagegen mit dem Freihandels-Bär.

Braunbär Verbreitung
Die Verbreitung des Braunbären und seiner Unterarten weltweit (oben) sowie rund um die Schweiz herum (Ausschnitt). - Wikipedia/@Hannu/@Gringer / IUCN Red List / Nau.ch

Ob es sich wenigstens um die korrekte Braunbär-Unterart handle, sei zwar nicht zu erkennen, aber auch nicht wichtig. Schliesslich gebe es in der Schweiz so oder so keine Bären mehr. «Es macht also gar keinen Sinn, da einen Bären zu zeigen», folgert Irminger. Selbst die drei Bären im Bärenpark würden sich wohl nicht wahnsinnig über Freihandel mit Indonesien freuen.

Tiger, die Bären Indonesiens

Während die Stimmvolk-Aufklärung auf Kinderbuchniveau mittels russischem Nationaltier also etwas gesucht ist, ist sie es beim Tiger erst recht. Gemeinhin würde man bei der gestreiften Grosskatze ja eher an Indien, Bengalen oder Sibirien denken, nicht an Indonesien. Zwar ist der Inselstaat immerhin Heimat dreier Unterarten, doch der Balitiger und der Javatiger sind bereits ausgerottet.

Dem dritten im Bunde, dem Sumatratiger, droht dasselbe Schicksal. Hauptgrund laut einer US-Studie von 2013 ist der Verlust an Lebensraum. «Nicht nur Palmöl-Landwirtschaft sondern auch Abholzung sind für Tiger eine Katastrophe», sagt Indonesien-Kenner Irminger.

Orang-Utan Indonesien Palmöl Kampagne
Rere, ein 4½-jähriger Sumatra-Orang-Utan, beim Verlassen des Käfigs, nachdem er im Rahmen eines Schutzprogramms wieder aufgepäppelt worden war, am 18. Juni 2019 auf der indonesischen Halbinsel Aceh. Rere hatte seinen ursprünglichen Lebensraum verloren wegen illegaler Abholzung zugunsten von Palmöl-Plantagen. Befürworter wie Gegner des Freihandelsabkommens benutzen Orang-Utans als Sujet für ihre Kampagnen. - Keystone / zvg

Also die analoge Argumentation wie sie die Palmöl-Gegner auch bezüglich dem Orang-Utan bringen. Dieser wird von den Befürwortern des Freihandelsabkommens ja ebenfalls vereinnahmt und darf statt einem Bären einen Steinbock umarmen. Allerdings nur in der Abstimmungszeitung für Aargau/Solothurn, Basel und die Zentralschweiz. Bern, die Ostschweiz und Zürich/Schaffhausen sind offenbar Bärenland.

Die Analogie hinkt

Ohne Zweifel: Die fotorealistische Darstellung der artenübergreifenden Umarmung ist hohe Kunst. Die Comics sind gekonnt gezeichnet. Im Gegensatz zu Steinbock und Orang-Utan können sich Bär und Tiger immerhin in freier Wildbahn begegnen.

Shere Khan Baloo BLT
Der Tiger «Shere Khan» und der Bär «Baloo» wurden als Tierwaisen zusammen mit dem Löwen «Leo» gefunden. Die drei sind zeitlebens beste Freunde und laufen als Bär/Löwe/Tiger-Trio im Tierheim «Noah's Ark» im US-Bundesstaat Georgia unter «BLT». BLT ist natürlich auch die amerikanische Sandwich-Variante Bacon-Lettuce-Tomato, welche mit Mayonnaise hergestellt werden kann, die wiederum hoffentlich kein Palmöl enthält – die perfekte Analogie. - Keystone

Oder in der klassischen Literatur, man erinnere sich an «Oh wie schön ist Panama» von Janosch. Oder Filmklassikern wie «Winnie Puuh und Tigger dazu» von 1974 – dieser könnte doch geradesogut als Kampagnensujet herhalten.

Sofern man Stimmbürger tatsächlich mit Argumenten überzeugen wollte, wie sie nur ein gewisser blauer Papagei in karierten Hosen zustande bringt. A propos Tunnel quer durch den «Globus».

Ein Tiger dazu reicht nicht

Sie kennen die Geschichte nicht in welcher Tigger mit seiner Hüpferei alle nervt, bis diese ihn «zufällig» im Hundertmorgenwald verlieren? Ausser dass Tigger nicht verloren geht, dafür alle anderen, und nur Puhs Gespür für Honig sie rettet. Dann geht Tigger mit Klein-Ruh hüpfen und kommt nur noch dank Christopher Robin vom Baum runter. Der langen Rede kurzer Sinn: Am Schluss hüpfen alle gemeinsam, weil Kinderbuch und Happy End.

Janosch Panama Puh Tigger
Der Kinderbuchautor Janosch präsentiert am 2003 in einer Frankfurter Buchhandlung seine neustes Werk «Oh wie schön ist Panama» (links), welches Bär und Tiger ebenso vereint wie der Disney-Klassiger «Winnie Puh und Tigger dazu» (Filmplakat von 1974). - Keystone

Ersetzt man Honig mit Palmöl, Hundertmorgen- mit Regenwald, Hüpfen mit Handel, nein, besser: Börsenkursen – oder doch eher Hopfen, weil Landwirtschaft – und «verlieren» ist «nicht ausrotten», Christopher Robin die WTO... dann ist das als Bild doch genau so passend für ein Freihandelsabkommen, wie sich umarmende, vom Aussterben bedrohte Landsäugetiere. Nämlich überhaupt nicht.

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