«DSDS»: Schwuler Schweizer musste zum Exorzisten
Das Wichtigste in Kürze
- Der Aargauer Sänger Marcio haute mit seiner Performance Dieter Bohlen vom Stuhl.
- Der «DSDS»-Favorit ist schwul – und hatte damit zu kämpfen.
- Seine Mutter schickte in eine Kirchgemeinde, um seine Homosexualität auszutreiben.
- Eine Sektenexpertin klärt über die Therapien auf – und spricht von einem «Übergriff».
Seine Hammerstimme haute gar Chefjuror Dieter Bohlen (66) vom Stuhl. Mit «Say Something» sorgte der Schweizer Marcio (26) bei «DSDS» gemeinsam mit Kandidatin Chiara (18) für den Gänsehaut-Moment schlechthin.
«Das hat mich jetzt aber überrascht», rief Bohlen, als er plötzlich über seinen Jury-Stuhl stolperte. «Es hat mich wirklich ergriffen», so der sonst kritische Juror.
Doch so schön sein Auftritt bei «DSDS» auch ist, so erschütternd ist Marcios Vergangenheit. Dem gebürtigen Brasilianer, der im Alter von vier Jahren in die Schweiz zog, sollte die Homosexualität ausgetrieben werden.
«Als ich 15 war, ging ich direkt in die Kirchengemeinde», beginnt der Publikumsliebling seine Geschichte beim «DSDS»-Casting. In der sektenähnlichen Gemeinschaft versuchte man, ihm das Schwulsein auszuexorzieren. «Ich musste leider mitmachen», so der Aargauer.
«DSDS»-Marcio: «Meine Mutter hat aus Liebe gehandelt»
«Es war ein bisschen schwierig für mich», blickt er zurück. Er habe deshalb auch keinen Beruf gelernt. Marcio arbeitet heute als Kreditkarten-Promoter.
Es war seine religiöse Mutter, die Marcio zu den Exorzisten geschickt hat. «Sie wollte unbedingt, dass ich ‹normal› behandelt werde in der Öffentlichkeit», erklärt er. Deshalb versteht der «DSDS»-Schweizer auch den Entscheid seiner Mutter. «Sie machte sich nur Sorgen um mich (…) Sie hat aus Liebe gehandelt.»
Mit diesem Schicksal steht Marcio nicht allein da. Zahlen aus der Schweiz gibt es allerdings keine, da die «Heilungsdienste» in der Regel nicht offenkundig angeboten werden. Susanne Schaaf von der Sektenberatungsstelle Infosekta klärt gegenüber Nau.ch über die Praktiken auf.
Sektenexpertin wertet Therapie als «Übergriff»
Sie sagt: «In evangelikalen Gemeinschaften wird gelebte Homosexualität als sündiges Verhalten betrachtet, das den Menschen von Gott entfernt. Daher wird durch Konversionstherapien versucht, die ‹Sünder› wieder auf den ‹richtigen› Weg zu bringen.»
Für Betroffene kann die Austreibung traumatisch sein. Schaaf erklärt: «Von ihnen wird verlangt, dass sie sich verleugnen, was zu seelischen Krisen führen kann.» Sie wertet eine solche Therapie als «Übergriff». Deshalb sollten sich Betroffene Hilfe holen und sich nicht zurückziehen, betont Schaaf.
Für Marcio hat sich das Blatt zum Guten gewendet: Er konnte die Therapie hinter sich lassen – und seine Mutter steht mittlerweile hinter ihrem Sohn: «Sie akzeptiert mich so wie ich bin.»
Und mit seiner Biografie will er anderen Betroffenen Hoffnung schenken: «Ich will ihnen zeigen, dass es möglich ist, sich selber zu sein», so Marcio.