Ein Jahr der Sondersendungen: So viele wie 2020 gab es noch nie. Nachrichten-Live-Berichterstattung habe noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen, heisst es etwa vom Nachrichtensender Welt.
Ellen Ehni, Chefredakteurin des Westdeutschen Rundfunks (WDR), moderiert eine«ARD extra»-Sondersendung zur Corona-Lage. Foto: -/WDR/dpa
Ellen Ehni, Chefredakteurin des Westdeutschen Rundfunks (WDR), moderiert eine«ARD extra»-Sondersendung zur Corona-Lage. Foto: -/WDR/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Sondersendungsrekordjahr: Dutzende Male haben die grossen Fernsehsender ihr Programm 2020 wegen Corona umgeworfen.
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Mindestens 73 Mal hat das Erste dieses Jahr ein «ARD extra» zur Corona-Lage ausgestrahlt haben. Auch das ZDF änderte deutlich häufiger als in früheren Jahren seinen geplanten Programmablauf aus aktuellen Anlässen. Von 82 «ZDF spezial»-Sendungen beschäftigten sich 60 mit der Corona-Pandemie, 58 davon liefen um 19.25 Uhr. RTL brachte 30 Sondersendungen zu Corona mit dem Titel «RTL Aktuell Spezial». Auch ProSieben und Sat.1 hatten Sonderberichterstattung.

Kristina Fassler, Sprecherin beim Nachrichtensender Welt in Berlin, fasst zusammen: «Das Bedürfnis, Covid-19 zu verstehen, über die aktuellen Zahlen, die Situation in den Krankenhäusern sowie Kontaktbeschränkungen in den einzelnen Bundesländern und den Stand in Bezug auf die Impfung Bescheid zu wissen, ist seit März einfach riesig. Damit hat Nachrichten-Live-Berichterstattung noch einmal eine ganz andere Bedeutung bekommen. Es bietet die Informationen, über die gesprochen wird, in den Familien und im Job.»

Die Einschaltquoten gaben den Sendern für ihre vertiefenden Formate recht. Das reichweitenstärkste «ARD extra» war eines zum zweiten harten Lockdown Mitte Dezember nach der 20-Uhr-«Tagesschau». Am dritten Advent sahen fast 15 Millionen die Sendung in allen ausstrahlenden ARD-Programmen, davon allein im Ersten fast 12 Millionen, in dem im Anschluss ein Münster-«Tatort» kam. Das entsprach einem Marktanteil von 40 Prozent.

Die zweithöchste Zuschauerzahl erreichte das Extra vom 18. März, als etwa 13,1 Millionen zusahen; es war der Tag der Ansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel («Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst.»). Auch RTL freute sich über hohe Quoten. Die ZDF-Spezials zu Corona erreichten durchschnittlich etwa 4,2 Millionen.

Bei der ARD brach das relativ neue Format «Extra» in der Zahl auch den «Brennpunkt»-Rekord von 1999. Damals gab es 70 ARD-Sondersendungen namens «Brennpunkt» - in erster Linie zum Kosovo-Krieg. Im Unterschied zum «Brennpunkt» orientiert sich ein «ARD extra» laut Programmdirektion nicht an sogenannten Breaking News, «sondern liefert vertiefende und erläuternde Informationen».

ARD-«Brennpunkte» gab es 2020 dennoch - und zwar zwölf, unter anderem am 5. Februar zum Thema «Politisches Beben in Thüringen», am 10. Februar zur CDU mit dem Titel «Kramp-Karrenbauer gibt auf», am 20. Februar zum «Terror in Hanau», am 5. August zu «Beirut in Trümmern» sowie am 5. und 6. November zum «Kampf ums Weisse Haus».

RTL sendete mehr als 30 «Aktuell Spezials», zum Beispiel auch zum rassistischen Anschlag in Hanau oder zur Präsidentenwahl in den USA. Die meisten davon liefen um 20.15 Uhr und gingen 15 Minuten, es gab aber auch Sendungen, die länger waren oder schon am Nachmittag oder frühen Abend liefen (etwa 45 Minuten am 18. März). RTL-Geschäftsführer Jörg Graf sagte: «Wenn ein Thema wichtig ist und es die Menschen in Deutschland umtreibt, dann wollen wir genau darüber auch umfassend, schnell und live berichten.»

Bei Ausbruch der Corona-Pandemie haben auch ProSieben und Sat.1 fast täglich ihr Programm mit Sonderberichterstattungen unterbrochen, wie Sprecherin Diana Schardt sagt. Neben Info-Stücken und aktuellen Newssendungen wie «ProSieben live - Deutschland fragt zu Corona» und «Bild Corona Spezial»-Sendungen bei Sat.1 habe es auch wochenlang XXL-Ausgaben des «Sat.1-Frühstücksfernsehens» gegeben.

Auch beim Nachrichtensender Welt hat 2020 einiges verändert. «Seit 9. März sind wir sozusagen in einer dauerhaften Programmänderung», sagt Sendersprecherin Kristina Fassler. «Wir haben die Nachrichten-Live-Strecke, die bisher montags bis freitags von 6 bis 13 Uhr lief auf 6 bis 20 Uhr ausgeweitet.» Der Anteil an Nachrichten im Gesamtprogramm sei von 27 Prozent im Jahr 2019 bis nun im Dezember 2020 auf etwa 40 Prozent gestiegen. Ausserdem: «Nachrichtensender haben tendenziell ein eher männliches Publikum. In diesem Jahr haben Frauen auch verstärkt die Live-Berichterstattung eingeschaltet.»

Ein Tag mit besonderer Reichweite sei Sonntag, der 22. März, gewesen - der Tag vor dem Beginn des ersten harten Lockdowns. An diesem Tag sahen laut «Welt» rekordverdächtig mehr als 60 Millionen Menschen in Deutschland fern. «Unser Nachrichtensender Welt verzeichnete an diesem Tag eine Nettoreichweite von 10,7 Millionen Netto-Seherinnen und -Sehern. Üblich sind etwa halb so viele.»

Und auch Vox, bislang nicht für Sondersendungen bekannt, nahm letzten Freitag kurzfristig ein Special ins Programm. «Hundeprofi» Martin Rütter moderierte ab 20.15 Uhr das viertelstündige «Vox Spezial: Martin Rütter - Sicher feiern trotz Corona». Darin klärte Rütter unter anderem darüber auf, wie sich das Virus auch am Weihnachtstisch im engsten Familienkreis verbreiten kann. Diese Sendung schalteten aber weniger als eine Million Menschen ein.

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