Der Weg zum «Fussballgott»: Doku über Bastian Schweinsteiger
Vom «kleinen Pummel» zum WM-«Helden»: Die grosse Fussball-Karriere von Bastian Schweinsteiger wird in einem Dokumentarfilm beleuchtet. Löw, Hoeness oder Kahn, aber auch Papa Fred und Bruder Tobias kommen zu Wort. Ehefrau Ana verrät, was sie als erstes auf Deutsch lernte.
Das Wichtigste in Kürze
- Bastian Schweinsteiger weint.
Die Stimme versagt. Bedächtige Stille bei den Teamkollegen, die halbnackt oder mit verschwitzten Trikots auf Klappstühlen in der Umkleidekabine hocken. Bastian Schweinsteiger (35) hört auf. Jetzt. Für immer. Wohlüberlegt. «That's it.»
Das sportlich unbedeutsame 5:2 seiner Chicago Fire bei Orlando City ist das letzte Spiel der grossen Karriere des Fussball-Weltstars, die der Dokumentarfilm «Schw31ns7eiger: Memories - Von Anfang bis Legende» beleuchtet. «Ich habe einfach gespürt, dass der Moment richtig ist, als Fussballer aufzuhören. Aber jetzt, wo man das Ende sieht, hat man die Bilder im Kopf aus der Jugend», berichtete Schweinsteiger in dem Film, der vom 5. Juni an beim Streamingdienst Amazon Prime Video zu sehen ist.
«Erinnerungen waren schon immer wichtig für mich. Sie lösen grosse Emotionen bei mir aus und ich erinnere mich gerne an meine Vergangenheit zurück», sagte Schweinsteiger der Deutschen Presse-Agentur. Der Film von Regisseur Robert Bohrer beginnt mit einem Blick zurück: Alpenidylle mit Kuhglocken, zu sehen ist ein Schild des FV Oberaudorf mit Eintrittspreisen von 3 Euro (Herren) und 2 Euro (Damen). Hier hatte, das natürlich noch zu D-Mark-Zeiten, die trophäenreiche Laufbahn des späteren Weltmeisters begonnen.
Ein «kleiner Pummel» sei der junge Basti gewesen, aber «rotzig frech und so selbstbewusst», erinnert sich Jan Pienta, einst Bayern-Scout. Er ist einer der weniger bekannten Weggefährten, die bei den Preisungen in dem 112-Minuten-Film zu Wort kommen. Ansonsten ist viel Fussball-Prominenz vertreten, die über den «Fussballgott» einer Fan-Generation und dessen Anfänge spricht. «Das war nicht so zu erkennen, dass der solch eine Karriere macht. Wenn das einer erzählt, der lügt», sagt Förderer und Former Hermann Gerland.
Mit seinem Chef Uli Hoeness eckte der junge Schweini, der gerne mit der Frisur experimentierte, früh an. Nach dem ersten Tor-Glück für die Bayern-Profis küsste der schussgewaltige Mittelfeldspieler im Februar 2003 ein Haarband - was der damalige Manager überhaupt nicht lustig fand. «So einen Schmarrn braucht er nicht wieder machen. Der soll Fussball spielen und keinen Schauspieler machen», hat Hoeness damals im TV geschimpft. Jetzt sprechen beide in einem Film, in dessen Titel die Zahlen von Schweinsteigers Trikotnummern enthalten sind. Mit der 31 lief er für FC Bayern auf, im Nationalteam war es die 7.
Der WM-Triumph 2014 war der sportliche Höhepunkt, über den Bundestrainer Joachim Löw im Film ebenso gerne wie über den Protagonisten spricht. «Eigentlich war ich immer schon ein Fan von Basti und das werde ich immer bleiben», sagt LöW, der drei Weltmeisterschaften mit Schweinsteiger erlebte.
Das Halbfinal-Aus im «Sommermärchen» 2006 gegen Italien war für Produzent Til Schweiger tränenreich, wie er in seinem ersten Dokumentarfilm verriet. Eine WM später ernannte LöW Schweini zum «emotionalen Leader», mit einem Handtuch um die Hüfte begrüsste er Kanzlerin Angela Merkel in der Kabine. Vier weitere Jahre danach jubelte die Regierungschefin auf der Tribüne mit, als Schweinsteiger beim 1:0 im Finale gegen Argentinien einen heroischen Kampf lieferte. «Das nennt man Held. Ein Held opfert sich auf», so Schweiger.
Schweiger und Schweinsteiger kennen sich seit vielen Jahren. Amüsant ist im Film eine Schweinsteiger-Führung durch die Tiefgarage am Vereinsgelände des FC Bayern. Der Verweis auf einen rosafarbenen Audi, der Franck Ribéry gehöre, sorgt bei Schweiger & Co. für Erheiterung. Beim gemeinsamen Pasta-Essen tauschen sich Produzent und Protagonist über verschossene Elfmeter aus; der von Schweiger dürfte nicht so schmerzhaft wie der von Schweinsteiger im verlorenen Champions-League-Finale «dahoam» 2012 gewesen sein.
Schweinsteiger weinte nach seinem Pfostenschuss gegen Chelsea, Jugendfreund Felix Neureuther litt mit. «Der hat ausgeschaut wie der Tod», erinnert sich der frühere Skistar. Tränen sah Neureuther bei Schweinsteiger auch auf dessen Hochzeit mit Tennis-Grösse Ana Ivanovic. «Der hat Rotz und Wasser geheult», sagt Neureuther. «Da hab' ich gewusst, Basti, das ist die Richtige.»
Ivanovic verrät ihren ersten Satz auf Deutsch, den ihr der Ehemann beibrachte: «Nein Danke, ich bin glücklich verliebt.» Übermässig viel Privates erfährt man in dem Film von dem Sportlerpaar, das mittlerweile zwei Söhne hat, nicht. Aber es sind schöne Bilder der Hochzeit in Venedig zu sehen. Ein eheliches Tennisspielchen der beiden gewinnt die Expertin. Schiedsrichter dabei ist Papa Fred, der wie Bruder Tobias ein paar persönliche Momente der Familienzeit preisgibt - was auch Filmaufnahmen des kleinen Basti liefern.
«Diese Szene, in der der kleine Basti wutentbrannt die Dosen zusammentritt, ist doch herrlich. Ich hätte auch gerne noch die Mutter zu Wort kommen lassen, aber die wollte einfach nicht vor die Kamera und das muss man dann akzeptieren. Dafür ist Papa Fred ja wirklich toll», sagte Schweiger der Deutschen Presse-Agentur.
Der sportliche Weg Schweinsteigers wird mit vielen emotionalen Bildern nachgezeichnet, Fans können nochmal grosse Sport-Gefühle erleben. Bewegend ist die Abschiedsrede von Schweinsteiger, der immer wieder von Fussballgrössen gerühmt wird. «Bastian hat es geschafft, und dafür bewundere ich ihn, mit dieser gewissen Unbeschwertheit alles im Fussball zu erreichen, was es gibt - und ist sich dabei immer treu geblieben», bilanziert der frühere Star-Torwart und heutige Bayern-Vorstands Oliver Kahn. «Mehr kannst du nicht erreichen.»