Die Sterne formieren sich neu
Mit Bands wie Tocotronic oder Blumfeld begründeten Die Sterne die Hamburger Schule - inzwischen ist nur noch Frontmann Frank Spilker übrig. Für ihr neues Album mussten sich die Sterne deshalb neu erfinden.
Das Wichtigste in Kürze
- Aus Ostwestfalen kamen die Sterne vor fast 30 Jahren nach Hamburg, um die deutsche Popmusik zu verändern.
Der Rest ist Geschichte.
Mit Bands wie Blumfeld oder Tocotronic wird die Gruppe zu den Erfindern der Hamburger Schule gezählt. Und das, obwohl sich Die Sterne nie so recht in den selbst mitgeschaffenen musikalischen Kanon (deutschsprachiger Gitarrenpop) einpassen wollten, lieber mal «discoide», mal «krautige» und mal elektronischere Platten produzierten, wie Frank Spilker (53) im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur sagt.
Auf dem neuen Album «Die Sterne» ist Spilker der letzte Verbliebene aus den Gründungstagen. Unterstützung holte er sich bei der Kölner Gruppe Von Spar - in Form von Schlagzeuger Philipp Janzen sowie Gitarrist und Bassist Phillip Tielsch. Auch mit dabei: Carsten Erobique Meyer («Urlaub in Italien»), bekannt etwa für unkonventionelle Elektro-Tanzmusik und einst mit DJ Koze Teil von International Pony. Ausserdem spielt Dyan Valdes mit, seit Jahren Live-Keyboarderin der Sterne.
Nötig wurde das, weil Keyboarder Frank Will und Schlagzeuger Christoph Leich die Band verliessen. «Es ist einfach kreativer Stillstand gewesen», sagte Spilker der dpa. Gekriselt habe es schon länger, nur gemerkt habe es keiner: «Ich glaube, aufgrund der Tatsache, dass wir schon so lange zusammen Musik gemacht haben und das auch zusammen gross gemacht haben, hat es so lange gedauert, bis wir realisiert haben, dass das nichts mehr bringt.»
Bei den Proben für die Tour zum 25-Jahre-Jubiläums- und Vorgängeralbum «Mach's besser» (2017), auf dem die Sterne sich, statt selbst in die Saiten zu greifen, von Freunden und Wegbegleitern covern liessen, seien dann auch keine neuen Stücke mehr entstanden. Spätestens da war klar, dass nichts mehr kommt. Auflösen oder so weiter machen, wie es nun geschehen ist - das seien die zwei Optionen gewesen, sagt Spilker, der - zum Glück seiner Fans - zum Aufgeben noch zu viele Skizzen und unverwirklichte Songideen im Gepäck hatte.
«Band» will er die «neuen» Sterne aber noch nicht nennen, auch aus Respekt vor der Geschichte der Gruppe: «Ich fühle mich wohler dabei, erst ein bisschen Zeit vergehen zu lassen», sagt er. Dass sich die Arbeitsweise ändert, zeigt sich aber schon. «Sonst haben wir immer gesehen, dass möglichst die Bandmitglieder auch alle Instrumente spielen. Wie jetzt Erobique zu fragen (...) überall, wo es Überschneidungen gibt zu seinem musikalischen Universum, das hätten wir früher nicht so getan.»
Und wie klingt das nun? Man muss sagen: tatsächlich unverkennbar nach den Sternen - meist tanzbar, immer sprachgewaltig, manchmal kryptisch. In Sachen Stil-Vielfalt kommt das Album vielleicht dem Erstling «Wichtig» von 1993 am nächsten. «Dass das jetzt wieder ein bisschen breiter, ein Blumenstrauss ist an Sounds, die aber trotzdem Sterne-Kosmos sind, hat natürlich damit zu tun, dass eine lange Zeit vergangen ist und dass dieser Bandwerdungsprozess jetzt wieder neu stattfindet», sagt der alte und neue Frontmann.
Und noch eine andere Sache erinnert an die Anfangstage. Die Hamburger Schule sei in den frühen Neunzigern auch eine Reaktion auf den erwachten Nationalstolz bei der WM 1990 gewesen und auf die Krawalle und Anschläge von Mölln und Rostock, hatte Spilker in einem früheren Gespräch gesagt. Das Thema treibt ihn auch 2020 noch um. «Ich finde ja, dass es immer noch viel zu wenig Abgrenzung gegen Rechts gibt. Es ist immer noch dieser Versuch, mit Leuten zu reden, die ganz offensichtlich antidemokratisch und anti-menschlich sind und die sich in ihren Aktivitäten und Äusserungen gegen das Grundeinverständnis der Zivilisation richten», sagt der 53-Jährige. «Es ist für mich nicht verständlich und da tut sich auch nicht viel.»
Angeschnitten wird das Thema etwa auch im Stück «Das Elend kommt (nicht)», das textlich fast ungewohnt eindeutig beginnt: Es geht um die Neue Rechte, die nicht mit «Fackelmärschen» und «Springerstiefeln» kommt, sondern «mit bunten Fähnchen» und «neuen Liedern» im Gewand der Popkultur.
Jedenfalls sieht nach diesem Neuanfang alles danach aus, dass die Sterne in wenigen Jahren auch ihr 30. Bühnenjubiläum feiern dürften. Scherzhaft hatte Spilker beim letzten Jubiläum in Aussicht gestellt, dass dafür die Elbphilharmonie geeignet sein könnte. Hat sich schon was ergeben? «Bis jetzt noch nicht», lacht der Sänger: «Aber wir arbeiten dran. Wir haben ja jetzt auch Streicher auf dem Album. Mal sehen, ob wir damit Elbphilharmonie-tauglicher geworden sind.»
Tourdaten: 06.03. Köln - Gebäude 9, 07.03. Mainz - Schon Schön 08.03. Stuttgart - Merlin, 11.03. München - Ampere, 12.03. Leipzig - Conne Island, 13.03. Berlin - Festsaal Kreuzberg, 15.03. Hamburg - Uebel & Gefährlich