Ein Fleischfresser als Veggie - Jamie Olivers neue Pfade

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Grossbritannien,

2019 war bisher ein Unglücksjahr für Fernsehkoch Jamie Oliver. Doch jetzt richtet der Brite den Blick wieder nach vorn - mit einem vegetarischen Kochbuch, das auch verstockte deutsche Fleischfresser überzeugen soll.

Ganz auf Fleisch verzichten? Das ist nichts für den britischen Fernehkoch Jamie Oliver. Foto: Laurent Gillieron/Keystone
Ganz auf Fleisch verzichten? Das ist nichts für den britischen Fernehkoch Jamie Oliver. Foto: Laurent Gillieron/Keystone - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Jamie Oliver hat etwas von einem grossen, gemütlichen Bären, der in Bewegung kommt, sobald es ums Essen geht.

Wenn man neben ihm tief versunken in den Polstern eines Sofas in seiner Zentrale in London-Islington sitzt, dann relaxt man automatisch.

Drumherum Tische mit frischem Obst und Gemüse, im Hintergrund das Fauchen des Milchschäumers der Kaffeemaschine und dazu Jamie, der übers Essen plaudert. Und plaudert. Denn eines kann er noch besser als kochen, und letztlich ist es das, was ihn gross gemacht hat: reden.

In Grossbritannien kennen ihn alle aus seinen Fernsehshows, in denen er seit 20 Jahren seine geradezu kindliche Begeisterung für alles Leckere rüberbringt. In Deutschland dagegen haben nur wenige seine Shows je gesehen. Dennoch kaufen die Deutschen seine Bücher. «Das ist eine sehr reine Beziehung», sagt der 44-Jährige - und meint damit: In Deutschland werde er wirklich seiner Rezepte wegen geschätzt. Es sei leicht, in den sozialen Netzwerken ein «like» zu posten - aber um Geld für ein Kochbuch auszugeben, brauche es schon etwas mehr.

Vor 20 Jahren kam sein erstes Buch «The Naked Chef» heraus, doch erst an diesem Montag (2. September) erscheint sein erstes vegetarisches Kochbuch, «Veggies - Einfach Gemüse, einfach lecker». Er habe es schon vor acht Jahren geschrieben, erzählt er, doch damals sei die Zeit noch nicht reif gewesen. Ob das wirklich so ist, darüber lässt sich streiten - man könnte auch sagen: Er kommt reichlich spät. Aber richtig ist ohne Zweifel: Man sieht Jamie nicht als Avantgarde-Koch, der die neuesten Trends aufspürt, sondern als den Kumpel, der gut kochen kann und einem ein bisschen was davon beibringt.

«Ich habe das Buch im Grunde für meinen Dad geschrieben», erzählt der Familienmensch und fünffache Vater. «Der durchschnittliche britische Dad und der durchschnittliche deutsche Papa sind sich ähnlicher, als wir manchmal wahrhaben wollen. Die Vorstellung, auf Fleisch zu verzichten, löst bei ihnen erstmal empörte Reaktionen aus. Und ich verstehe das, denn auch ich liebe Steak, auch ich liebe Wurst.»

Gerade seine Fans wissen, dass vegetarische Gerichte bisher nicht unbedingt Jamies grosse Stärke gewesen sind. Mitunter schnippelte er in Mahlzeiten, die ohne weiteres fleischlos hätten bleiben können, noch schnell ein bisschen Speck mit hinein oder schüttete etwas Hühnerbrühe dazu - das gebe einfach mehr Geschmack, war die Standard-Erklärung.

Doch jetzt hat der überzeugte Fleischfresser in dieser Hinsicht einen Sprung gemacht. «Veggie» ist keines jener Kochbücher, in denen Fleisch durch Soja, Bohnen, Tofu oder Quorn ersetzt wird. Stattdessen ist er herumgereist und hat sich in Kulturen umgesehen, die auf eine viel längere und reichere Erfahrung mit fleischloser Küche zurückblicken. Aus Indien mitgebracht hat er zum Beispiel eine Art Brötchen mit knusprig gebratenen Süsskartoffeln, allerlei Gewürzen, einer Minz-Joghurtsauce und Mango-Chutney. Das sind schon Sachen, die man so noch nicht gesehen hat.

Einen neuen Bucherfolg könnte er jetzt gut gebrauchen, denn 2019 ist bisher ein Unglücksjahr für ihn gewesen. Im Mai musste seine britische Restaurantkette Insolvenz anmelden. Im Schaufenster seiner Londoner Restaurants hängen zur Zeit zwar noch die Speisekarten aus, doch daneben prangt eine knappe Mitteilung des Insolvenzverwalters.

«Ich bin nicht bankrott», betont er. Die anderen Teile seines Food-Imperiums sind von der Insolvenz nicht betroffen. Die Schliessung seiner britischen Restaurants habe ihn allerdings auch emotional sehr mitgenommen.

«Ich habe wirklich alles versucht, um sie zu retten», beteuert der Food-Fanatiker, der selbst in einem englischen Gastro-Pub aufgewachsen ist. «Aber das derzeitige wirtschaftliche Klima hier ist eben alles andere als gut. Hohe Kosten und Mieten, gesunkenes Verbrauchervertrauen, nicht zuletzt durch den Brexit. Und dann die Digitalisierung des Essens, das Bestellen per Knopfdruck. Alles keine guten Voraussetzungen. Vielleicht hatten wir auch einfach zu viele Restaurants mit zu wenig Kunden.» Und bei der Qualität der Zutaten habe er keine Kompromisse mahen können, weil das seine Glaubwürdigkeit zerstört hätte. Am Ende habe er das Schiff nicht durch den Sturm bringen können.

Jetzt will er wieder nach vorn schauen. Wird sein nächstes Buch vegan sein? Die Antwort kommt ziemlich schnell: «Das glaube ich nicht.» Er sei und bleibe nun mal Fleischesser. «Ich könnte vielleicht zwei Wochen vegan sein, aber dann würde ich über eine Wurst herfallen.» Er lacht. Dann setzt er schnell noch dazu: «Eine Wurst aus Biofleisch wohlgemerkt.»

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