Filmfestival Locarno: Zweiter deutscher Film im Wettbewerb
Ein Reigen surrealer Momente geht in Locarno ins Rennen um den Goldenen Leoparden. Die in Berlin lebende Regisseurin Ann Oren sprengt mit «Piaffe» die Grenzen gleich mehrerer Kunstgattungen
Im Wettbewerb des noch bis Samstag laufenden 75. Internationalen Filmfestivals Locarno ist am Donnerstag ein zweiter deutscher Spielfilm ins Rennen um den Hauptpreis, den Goldenen Leoparden, gegangen: «Piaffe». Die aus Tel Aviv stammende, in Berlin lebende Regisseurin Ann Oren begleitet spielerisch eine junge Frau. In Folge einer Beschäftigung mit dem Pferdesport und der Pferdezucht wächst dieser Frau aus dem Steissbein ein Pferdeschwanz. Was sie für diverse erotische und sexuelle Erfahrungen nutzt.
Die auch mit Installationen und Performances erfolgreiche Ann Oren offeriert in ihrem ersten abendfüllenden Spielfilm einen Reigen surrealer Momentaufnahmen. Daraus lesen lässt sich ein Infragestellen klassischer Geschlechterrollen. Stilistisch sprengt der fast wortlose Film die Grenzen zwischen Schauspiel, Tanz und bildender Kunst. Das ist reizvoll und rätselhaft. Ann Oren entzieht sich damit allen Erwartungen an traditionelles Erzählen.
Es ist gut möglich, dass die Jury genau das mit einer Auszeichnung würdigt. Das Festival in Locarno steht für eine Filmkunst, die sich allen kommerziellen Zwängen verweigert. Viele Festivalbesucher und Kritiker geben allerdings dem bereits vor einigen Tagen gelaufenen zweiten deutschen Wettbewerbs-Beitrag höhere Chancen: «Human Flowers of Flesh» von Helena Wittmann. Verliehen werden die Preise am Samstagabend auf einer Open-Air-Gala.