Für Mark Knopfler ist «Ruhm nur ein Abfallprodukt»
Der Gitarrist und Sänger Mark Knopfler wird 75 Jahre alt. Mit den Dire Straits ist er zum Weltstar aufgestiegen. Nun will er sich von der Bühne zurückziehen.
Mark Knopflers musikalischer Stil ist unverwechselbar: markanter, weicher Gitarrensound und eine warme, sanfte Bariton-Stimme. Daran erkennt man ihn auf den meisten seiner Aufnahmen sofort – ob es sich um Welthits wie «Lady Writer» oder «Brothers in Arms» seiner ehemaligen Band Dire Straits handelt oder um Songs von seinem jüngsten Soloalbum «One Deep River».
Am 12. August wird der britische Gitarrist und Sänger 75 Jahre alt. Geboren wurde er in Glasgow, aufgewachsen ist er im Grossraum Newcastle. Vor seinem Geburtstag deutet Mark Knopfler an, dass er in Zukunft beruflich etwas kürzertreten will.
Besonders glücklich ist Knopfler in seinem eigenen Studio. Im Westen von London, im Stadtteil Chiswick, befinden sich die British Grove Studios. In dem unscheinbaren Gebäude in einer engen Seitenstrasse haben in den vergangenen Jahren unter anderem Chris de Burgh, Ronan Keating, Eric Clapton und die Rolling Stones ihre Alben aufgenommen. Und Knopfler.
Zwischen alten und modernen Geräten
British Grove ist sein «happy place», also sein Wohlfühlort, sagt der Musiker im Interview der Deutschen Presse-Agentur. Er sitzt zwischen alten und modernen Geräten, kleinen und grossen Mischpulten und vielen Instrumenten. «Wohlfühlort» gilt besonders, wenn er mit seiner Band an neuer Musik arbeitet. Sein Blick wirkt etwas müde, aber wenn er über seine Musik und sein Studio spricht, leuchten seine Augen.
«Ich sitze dann dort und die Band sitzt da drüber auf dem Sofa», erzählt er begeistert. «Ich spiele ihnen einen Song vor, und während ich spiele, schreibt Glenn Worf die Noten auf.» Der renommierte Bassist arbeitet seit Jahrzehnten mit Knopfler, spielte auf jedem seiner Alben und gehört bei Konzerten zu seiner Live-Band.
Anschliessend lässt Knopfler seine Musiker einfach machen. «Meine Methode ist es, eine Band von diesem Kaliber nicht zu stören», erklärt er. Er beschränke sich auf wenige Anmerkungen. «Man muss einigermassen zurückhaltend sein, um effektiv zu sein. Das ist so, als würde man als Regisseur mit zwei oder drei grossartigen Schauspielern arbeiten. Wie würde man das angehen? Man möchte ihnen nicht im Weg stehen.» Der Bandleader sieht sich als Teamplayer.
Das habe er allerdings erst lernen müssen, erzählt der ehemalige Frontmann der Dire Straits. «Ich glaube, ich habe einfach gelernt, wirklich guten Musikern zu vertrauen.»
«Brothers in Arms»: 30 Millionen verkaufte Exemplare
Mit den Dire Straits wurde Knopfler in den späten 70er-Jahren bekannt. Gemeinsam mit seinem Bruder David hatte er die Band 1977 gegründet. Gleich das Debütalbum mit der Hitsingle «Sultans Of Swing» wurde 1978 ein grosser Erfolg. Knopflers präzise Fingerstyle-Technik und die intelligenten, oft poetischen Texte zeichneten die Musik aus.
Ihr fünftes Studioalbum «Brothers in Arms» machte die Dire Straits 1985 endgültig zu Weltstars. Es gehört mit rund 30 Millionen verkauften Exemplaren zu den erfolgreichsten Alben der Musikgeschichte. Lieder wie «Money For Nothing» oder «Walk Of Life» sind bis heute regelmässig im Radio zu hören. Gerechnet hatte Knopfler damit nicht. «Nein, es war wie jedes andere Album», sagt er gelassen.
Knopflers rotes Stirn- oder Schweissband wurde seinerzeit zu seinem optischen Markenzeichen. Gerüchte, dass er es nur trug, um nicht erkannt zu werden, wenn er es abnahm, weist er lachend zurück. «Nein, es ging nur um den Schweiss. Damals waren die Scheinwerfer so heiss», sagt er amüsiert. «Ich habe literweise geschwitzt. Als die neuen Scheinwerfer kamen, brauchte ich das nicht mehr.»
Die Dire Straits spielten riesige Tourneen, füllten Stadien, traten beim legendären Live Aid und beim Konzert für Nelson Mandela auf. Für Mark Knopflers Geschmack wurde allerdings alles eine Nummer zu gross. «Ich war dafür nicht gemacht», sagt der Brite, der das Rampenlicht ansonsten meidet. «Wir wollten gar nicht in Stadien auftreten. Das ist einfach zu viel, zu viel von allem.»
Zehntes Soloalbum nach sechsjähriger Pause erschienen
Das Dasein als Popstar, über das er sich in «Money For Nothing» lustig macht, lag dem öffentlichkeitsscheuen Familienmenschen nicht. «Erfolg ist grossartig, weil er dir die Möglichkeit gibt, Dinge zu tun, wie zum Beispiel dieses Studio zu bauen», sagt Knopfler. «Ruhm ist nur ein Abfallprodukt.» 1995 löste er die Gruppe auf.
Ein Jahr später erschien sein erstes Soloalbum «Golden Heart». In seine Musik, die immer Ruhe und Entspanntheit ausstrahlt, liess Mark Knopfler neben Rock'n'Roll auch Folk, Country, Americana und andere Stile einfliessen.
Sein zehntes und aktuellstes Soloalbum, «One Deep River», erschien nach sechsjähriger Pause. Darauf singt er über den Fluss Tyne und seine alte Heimat Newcastle, die ihm immer noch sehr am Herzen liegt. Privat lebt der vierfache Vater mit seiner dritten Frau allerdings schon lange in London.
Möglicherweise müssen seine Fans nicht allzu lang auf neue Musik warten. Denn für «One Deep River» nahm die Band weit mehr Songs auf, als auf das Album passten. «Ich habe ständig Ideen», sagt Knopfler. «Wir müssen wohl noch eine EP rausbringen. Ich weiss nicht, ob die Leute heute noch viele EPs produzieren. Aber es ist wie eine Platte mit vier Tracks und mit eigenem thematischen Schwerpunkt.»
Das Songwriting ist ihm deutlich wichtiger als das Auftreten. Seine letzte Tournee beendete er 2019, nachdem er auch im Zürcher Hallenstadion aufgetreten war. Den Drang, auf die Bühne zurückzukehren, verspürt der Gitarrist und Sänger nicht. Auf die Frage, wann und ob er wieder Konzerte geben wird, winkt er ab. «Ich glaube nicht», sagt Mark Knopfler mit einem leichten Schmunzeln. «Ich bin zu alt.»
