«Godzilla 2:»: Action-Spektakel mit ernstem Unterton
Das Wichtigste in Kürze
- Ganze 65 Jahre ist es her, dass das Monster Godzilla seinen ersten Kinoauftritt hatte.
Das war im japanischen Schwarz-Weiss-Film «Godzilla», entstanden unter der Regie von Ishirō Honda. Mehr als 30 weitere japanische Werke rund um das, an Drachen und Dinosaurier und ein klein wenig auch an Walfische erinnernde, vor allem im Meer anzutreffende Mischwesen sollten folgen (Titel wie: «Die Rückkehr des King Kong», «Godzilla: Final Wars»).
Auch Hollywood freilich hat sich des Themas angenommen; bisher gab’s zwei Kinoadaptionen, «Godzilla» von 1998 (Regie: Roland Emmerich) sowie Gareth Edwards’ «Godzilla» (2014). Der jetzt startende, dritte US-Godzilla ist als eine Art Fortsetzung von Edwards’ Film gedacht. Besetzt ist das 130 Minuten währende Bilder-Spektakel mit Schauspielern wie Vera Farmiga («The Conjuring»), Ken Watanabe («Inception»), Charles Dance («Game of Thrones») und Sally Hawkins («Happy-Go-Lucky»). Die Regie kam diesmal von Michael Dougherty.
Alles beginnt mit einem markerschütternden Schrei. Dann sehen wir San Francisco im Jahr 2014: Alles brennt, Ruinen über Ruinen. Der Rückblick erinnert daran, dass «Godzilla 2» ans Geschehen des Vorgängers von 2014 anknüpft. Einige Darsteller waren damals bereits dabei. Fünf Jahre schon, so heisst es, habe man von Godzilla nichts gehört. Wo sich das Meeresmonster in dieser Zeit versteckt gehalten hat, das ist eine der Fragen, die diesen Film antreibt.
Bevor wir aber Godzilla tatsächlich zu Gesicht bekommen, bricht eine wahre Monster-Epidemie aus: An allen möglichen Orten auf dem Globus (darunter auch München) wüten Ungeheuer. Soll man sie alle töten, wie dies der Wissenschaftler Mark Russell fordert, oder ihre Kraft nutzen, um damit eine neue, eine friedliche und ökologischere Gesellschaft zu bauen? Von letzterer Idee beseelt ist Marks Frau Emma (Farmiga), die gern auf all die Schrecklichkeiten verweist, die der Mensch über den Planeten gebracht hat. Gleich in einer der ersten Szenen sehen wir in einer Email den Betreff «Climate Change» (Klimawandel).
Wie viele Werke des Actiongenres wartet auch «Godzilla 2» mit zahlreichen Schnitten, Wackelbildern (Explosionen!) und viel Lärm auf. Die musikalische Flankierung (von Bear McCreary) hat es dagegen schwer. Streicher-Crescendi vermengen sich mit Monster-Geschrei zu einem indifferenten Soundbrei. Die verwaschen-farbentsättigten Bilder mit vielen Grau-, Weiss- und hellen Blautönen erinnern ein wenig an die Schwarz-Weiss-Ästhetik der frühen japanischen Godzilla-Filme. Ab und zu freilich wird die wenig bunte Farbpalette unterbrochen von grellen Gelbtönen (Kanonen-Feuer, Brände).
Allzu viel an visuellen Einfällen hat der Film nicht im Portfolio. Dafür gibt es Action pur - und zu wenige Momente des Innehaltens. Die Menge an Querverweisen indes ist so üppig, dass sich in diesem Spektakel Fans von «Game of Thrones» (Godzilla bekommt es mit einem mehrköpfigen Drachen zu tun), von «Jurassic Park», von «Pacific Rim» und auch vom Riesenaffen King Kong wohl fühlen dürften.
Auf schauspielerischer Ebene sind es vor allem Frauengesichter, die nachwirken: Sally Hawkins etwa, die bisher eher wenig im Action-Bereich in Erscheinung getreten ist. Vera Farmiga, der man das Anliegen, etwas für die Wiederherstellung einer natürlichen Balance tun zu wollen, genauso abnimmt, wie die Sorge ihrer Film-Tochter Madison (Millie Bobby Brown) um ihre Eltern. Fast sämtliche männliche Akteure wirken dagegen wie Abziehbilder oder Karikaturen aus üblen B-Filmen. Nur selten, dass man den Kerlen mal eine Regung, einen Gesichtsausdruck wirklich abnimmt. Am ehesten noch ist dies bei Ken Watanabe (auch er gibt einen Forscher) der Fall. Vor allem die überzogene Mimik aber von Madisons Vater, verkörpert von Kyle Chandler («Manchester by the Sea»), ist mehr als einmal mehr lach- denn glaubhaft.
Bleibt die Frage, ob Godzilla den Hauch einer Chance hat gegen den Blockbuster der Saison: gegen die Avengers, deren «Endgame» bisher weltweit mehr als 2,6 Milliarden Dollar eingebracht hat. Das Budget von «Godzilla 2» wird auf rund 200 Millionen Dollar geschätzt, bei den Avengers ging man von über 300 Millionen aus. Geld aber ist nicht alles. Moderne Blockbuster reüssieren meist nur, wenn sie über eine Portion Humor, über Selbstironie verfügen. Die «Avengers» waren von Anbeginn damit gesegnet, vom neuen «Godzilla» kann man das nicht behaupten.
Viele Film-Momente hier sind von nicht intendierter Komik, die Aussagen aber, die Fragen, die diesen Film grundieren von grosser Aktualität, ja Dringlichkeit: Welche Rolle, wenn überhaupt, kann der Mensch spielen bei der Rettung der Welt? Heiligt der hehre Zweck jedes Mittel? Die in ihrem Tun so verbissene Emma bezeichnet die Menschheit als «Infektion». Von der eigenen Tochter wird sie ob ihres blinden Umwelt-Aktionismus als «Monster» gescholten. Schon der erste «Godzilla» übrigens von 1954 war als politische Metapher angelegt. Damals noch zum Thema Atomkrieg.