Ist Baby-Mörderin Lucy Letby gar nicht schuldig? Mediziner zweifeln
Krankenschwester Lucy Letby soll sieben Neugeborene getötet haben. Nun aber vermuten Medizin-Experten, dass die Britin unrechtmässig verurteilt wurde.
![Lucy Letby](https://c.nau.ch/i/ZPyAMJ/900/lucy-letby.jpg)
Das Wichtigste in Kürze
- Lucy Letby wurde im August 2023 wegen Baby-Mordes lebenslänglich verurteilt.
- Nun schloss sich eine Gruppe aus Medizinern zusammen, um die Fälle zu untersuchen.
- Die Experten zweifeln daran, dass die Krankenschwester rechtmässig im Gefängnis sitzt.
Dieser Fall wirft neue Fragen auf: Die ehemalige britische Krankenschwester Lucy Letby (35) soll zwischen 2015 und 2016 auf einer Neugeborenenstation sieben Babys getötet haben.
Die Britin, auch als «Todesengel» bezeichnet, spritzte den Säuglingen Luft in die Venen und gab ihnen eine Überdosis Insulin. Auch die Ermordung sieben weiterer Babys hatte Letby laut Anklage im Visier.
Im August 2023 wurde die 35-Jährige von einem Geschworenengericht zu 15-mal lebenslänglicher Haft verurteilt. Nun aber äussern Experten ihre Zweifel zu diesem juristischen Entscheid.
Sitzt Letby etwa unschuldig hinter Gittern? Diese Frage beschäftigt derzeit 14 Mediziner aus sechs Ländern, die sich zusammengeschlossen haben, um die mutmasslichen Tötungsdelikte zu untersuchen. Zu diesem Expertenkreis zählt auch Prof. Helmut Hummler (65) aus Deutschland.
Gegenüber der «Bild»-Zeitung erklärt er: «Wir haben erhebliche Zweifel an der Deutung der Fälle vor Gericht. Diese sind so gravierend, dass unseres Erachtens der Fall Lucy Letby juristisch wieder aufgerollt werden sollte.»
«Wir haben keine Morde festgestellt»
In Letbys Anklage wird unter anderem eine wissenschaftliche Publikation von Prof. Shoo Lee als Beweismittel herangezogen. Das im Jahr 1989 erschienene Werk setzt sich mit Lungenembolie bei Neugeborenen auseinander.
![Lucy Letby Shoo Lee](https://c.nau.ch/i/MpgxDG/900/lucy-letby-shoo-lee.jpg)
Nun wirft Lee den Richtern vor, seine wissenschaftlichen Erkenntnisse von damals für den Gerichtsfall fehlinterpretiert zu haben. Vor wenigen Tagen präsentierte er an einer Pressekonferenz in London die Erkenntnisse des 14-köpfigen Expertenpanels.
Und kommt zum Schluss: «Wir haben keine Morde festgestellt. In allen Fällen waren Tod oder Verletzung auf natürliche Ursachen zurückzuführen oder schlicht auf schlechte medizinische Versorgung.»
Fälle von Experten mehrfach geprüft
Für die Untersuchung griffen die Mediziner laut Prof. Hummler auf Krankenakten, Zeugenaussagen und Gerichtsprotokolle zurück. «Bei den Todesfällen ging es vor allem um die Beurteilung der Todesursache. Aber auch um die Behandlung der jeweiligen Patienten», so der Experte.
![Lucy Letby](https://c.nau.ch/i/RkBAK/900/lucy-letby.jpg)
Jeder der 14 Experten habe sich um die Bearbeitung zweier Fälle gekümmert. Jeder Fall sei dabei von zwei Personen unabhängig beurteilt worden. Hummler ergänzt: «Falls sich die Experten uneinig waren, wurde ein dritter Experte mit dem Fall befasst, um den Fall zu klären.»
Viele der Deutungen der Fachexperten aus der Verhandlung könne man laut dem Mediziner nicht nachvollziehen. Aber: «Details dazu gehören meines Erachtens vor ein Berufungsgericht», so der Professor.
Verteidiger kämpfen um Prüfung der Strafsache
Ob Lucy Letby wirklich zu Unrecht verurteilt wurde, bleibt weiterhin unklar. Fakt ist jedoch, dass sich die Anklage nur auf Indizien beruht. Eine ihrer angeblichen Taten wurde nie direkt beobachtet.
![Englische Krankenschwester](https://c.nau.ch/i/eN90o/900/englische-krankenschwester.jpg)
So heisst es, dass die Babys oftmals erkrankten, als die Britin Dienst hatte. Auch Nachforschungen zu den Familien der Babys soll Letby betrieben und diese in einem Buch festgehalten haben.
Ein Richter sprach während der Verhandlungen von einer «morbiden Aufzeichnung».
Bereits zweimal hatte die Krankenschwester eine Beschwerde gegen das Urteil eingereicht – jedoch ohne Erfolg. Nun kämpfen ihre Verteidiger um einen Antrag bei der Kommission zur Überprüfung von Strafsachen.
Im Falle einer unrechtmässigen Anklage könne Letby den Fall anschliessend an das Berufungsgericht zurückverweisen.