Jean-Claude Juncker

Jean-Claude Juncker wird 70 Jahre alt

Keystone-SDA
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Luxemburg,

Eigentlich ist der frühere EU-Kommissionspräsident Juncker seit Ende 2019 Rentner. Im Hintergrund mischt er aber in der Politik immer noch mit.

Jean-Claude Juncker
Jean-Claude Juncker. (Archivbild) - dpa

Jean-Claude Juncker würde heute wieder Politiker werden. Er wird am 9. Dezember 70 Jahre alt. «Man hat zumindest den Eindruck, etwas bewirken zu können», sagte der frühere EU-Kommissionspräsident der deutschen Nachrichtenagentur DPA.

Allerdings sei die Gestaltung von Politik schwieriger geworden, auch wegen der «übergeordneten Rolle», die soziale Netzwerke spielten. «Ich stelle eine Verflachung der politischen Debatten in Europa fest: Es wird weniger Substanz behandelt.»

Seit seinem Abschied an der Spitze der EU-Kommission Ende 2019 ist Juncker eigentlich Rentner. Trotzdem ist er nach wie vor nahe an der Politik dran. Regelmässig fährt er in sein Büro in Brüssel, wo er Premierminister, Kommissare und Parlamentarier «am laufenden Band» empfange. «Man möchte meine Meinung erfahren. Aber mein Stress hat sich mehr als nur halbiert», sagte der Luxemburger, der von 1995 bis 2013 Premierminister Luxemburgs war.

Zudem schreibt er ein Buch über seine fünf Jahre als Kommissionspräsident. Eigentlich hätte es Anfang 2021 erscheinen sollen. «Ich habe diesen Termin dann irgendwie verpasst.» Jetzt sei es aber zu drei Viertel fertig. Im Kommissionsgebäude lägen noch 535 ungeöffnete Archivboxen, die er einlagern liess.

Er schaue aber nicht hinein: «Ich beschreibe hauptsächlich Menschen, mit denen ich zu tun hatte.» Und natürlich müsse er bei vielen Fragen «zurückblättern und die Genese der Probleme in die Zeit zurückverfolgen, die ich als Premierminister in Europa zugebracht habe».

Von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Euro-Gruppe

Heute gebe es «zu wenige Überzeugungstäter, die im Zweifelsfall eine europäische Lösung anstreben, statt in nationalen Burgen und Festungen sich einzumauern», sagte er. Das Europaparlament spiele eine stärkere Rolle, werde aber seiner Aufgabe nicht immer gerecht, «weil es sich in Ankündigungen ergeht, die kaum von instrumentaler Handhabung gefolgt werden».

Die Mehrheitsverhältnisse seien schwieriger als einst. «Deshalb ist der Umgang mit dem Europäischen Parlament auch für die Regierenden in Europa anstrengender geworden.»

Seine Bilanz? «Meine grössten Erfolge habe ich dort erzielt, wo ich europäische Misserfolge verhindert habe», sagte Juncker am Schreibtisch in seinem Büro in Luxemburg-Stadt. «Beispielsweise habe ich dafür gesorgt, manchmal fast alleine, dass Griechenland Mitglied der Eurozone bleibt.» Der Jurist war von 2005 bis 2013 Vorsitzender der Euro-Gruppe.

Er habe es auch als Erfolg empfunden, dass die Sozialpolitik in Europa «erwachsener wurde». Und dass er Konflikte zwischen den Institutionen rechtzeitig gelöst habe: «Ich habe es mir zum Motto gemacht, dass man in Europa grosse Probleme lösen muss, solange sie klein sind.»

Wichtig sei auch gewesen, dass er im Juli 2018 mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump «ein Auskommen fand», sagte der Christsoziale. Seit seinem Gespräch mit Trump steht Juncker im Ruf, ein «Trump-Flüsterer» zu sein.

Trump hatte damals gerade Zölle auf Aluminium aus der EU erhöht, klagte über Autoimporte, ein Handelskrieg drohte. Juncker bot Trump erhöhte Importe von Flüssiggas und Sojabohnen an. Der drohende Handelskrieg war zur Überraschung aller Beobachter abgewendet, Trump und Juncker küssten sich im Oval Office.

«Man sollte Trump mit Respekt begegnen und das ernst nehmen, was er sagt und mit ihm in der Substanz Verhandlungen führen», ist Junckers Ratschlag für die Zukunft. «Nicht alles ist automatisch krumm und schief, nur weil Trump es vorbringt.»

Trump sei «nicht der Mann, der grosse Verträge schliesst – er hätte gerne einen Deal.» Also müsse man ihm etwas anbieten, was ihm erlaube, «innenpolitisch über die Hügel und Berge zu kommen».

«Ich bin kein Zyniker»

Europa sei nicht in einer Krise. «Seit ich Europapolitik betreibe, befindet sich Europa in Krise. Insofern ist eine europäische Scheinkrise keine wirkliche Krise.» Aber: «Man geniert sich weniger als früher, der nationalen Position den Vorzug zu geben.» Es gebe einige Regierungen, «die die Geschäftsgrundlage der EU nicht wirklich verinnerlicht haben».

Die EU tue sich schwer «in einigen, den Binnenmarkt stärkenden Themenkomplexen», sagte Juncker. Zum Beispiel der Schaffung einer Kapitalmarktunion, die die europäische Wirtschaft stärke. «Dann haben wir die europäische Verteidigungspolitik auf dem Operationstisch liegen».

Man müsse «in Sachen Verteidigungsunion» und auf dem Weg zu einer europäischen Armee, «die in weiter Ferne steht, aber die wir trotzdem brauchen, dringend Fortschritte machen», sagte er.

Juncker räumt aber auch Misserfolge ein: «Ich bin nicht immun gegen Kritik, die mein eigenes Tun betrifft.» Er habe versucht, die Dinge in Europa «mit einer gesunden Dosis Humor» anzugehen und er sei auch «leichter Ironie fähig».

Wichtig sei ihm aber: «Ich bin kein Zyniker.» Und manches, was er «vom Stapel gelassen» habe, habe geklungen «als ob ich definitiv in dem vom Kommissionspräsidenten nicht zu betretenden Raum des absoluten Zynismus angekommen wäre».

Es habe ihn auch «sehr geärgert», dass Regierungschefs gerne eigene Fehler und Versäumnisse «auf dem Verantwortungsmist der Europäischen Kommission abgelagert» hätten. Das habe er «unwirsch» auch in Gegenwart der Beteiligten gesagt: «Ich hätte allgemeiner reden und die Täter nicht entlarven sollen», meinte er heute.

Im Süden des Grossherzogtums in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, studierte er Jura in Strassburg – und übte auch den Beruf eines Rechtsanwalts nie aus. Stattdessen begann sein Herz für Politik zu schlagen.

Schon mit 20 Jahren trat er in die Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) ein; 15 Jahre später wurde Arbeits- und Finanzminister in Luxemburg, dem zweitkleinsten Land der EU mit rund 660'000 Einwohnern.

Juncker wohnt in Capellen unweit der Grenze zu Belgien: «In Luxemburg wohnt man immer an der Grenze.» Mit seiner Frau und seinem Hund Caruso. Er habe eigentlich immer Hunde gehabt. Der Erste hiess Pascha, der Letzte war Churchill.

«Als ich Finanzminister in Luxemburg war, habe ich meinen Hund Dagobert getauft.» Soziale Netzwerke meidet Juncker. Stattdessen lese er viel, vor allem deutsche und französische Romane. Und deutsche Lyrik, vor allem von Rainer Maria Rilke. «Langweilig wird mir nie.»

Kommentare

User #4995 (nicht angemeldet)

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