Jojo Moyes Plädoyer für Frauenrechte und fürs Lesen

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Deutschland,

Jung und naiv ist Alice. Sie weiss nur eines: Sie will raus aus der puristischen Enge des Elternhauses. Und so stürzt sie sich kopfüber in die Ehe mit einem gut aussehenden Amerikaner...

Jojo Moyes
Jojo Moyes, Schriftstellerin aus Grossbritannien, erstellt für ihre Figuren eigens Biografien. (Archivbild) - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Name, der für grosse Liebe und Empathie steht, ein Romantitel, der zumindest eine bestimmte Klientel von Leser(inne)n anspricht und ein Romantik verheissendes Buchcover mit einem Himmel voller Glühwürmchen.

Ganz klar, «Wie ein Leuchten in tiefer Nacht», der neue Roman der Britin Jojo Moyes («Ein ganzes halbes Jahr»), hat schon allein dadurch Bestsellerpotenzial. Der Inhalt nicht minder: Moyes reitet im US-Bundesstaat Kentucky auf historischen Pfaden für Gerechtigkeit, insbesondere für Frauenrechte und das Recht auf Bildung. Und das in der Zeit der Grossen Depression, den 1930er Jahren.

Es geht um das von der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt (1884-1962) unterstützte Pack Horse Project, ein Programm der Works Progress Administration (WPA), das zwischen 1935 und 1943 die Auslieferung von Büchern und Zeitschriften per Pferd in schwer erreichbare Regionen der Appalachen vorsah und an dem vor allem sehr viele Frauen beteiligt waren. Die Protagonistin des Romans, Alice, wird eine von ihnen. Doch leicht wird es ihr nicht gemacht - weder von der Gesellschaft, noch der Familie. Von der erst recht nicht. Für Alice sind die weiten und beschwerlichen Ritte in die entlegensten Ecken Kentuckys Flucht und Erlösung zugleich.

Zu überstürzt und unüberlegt war die Heirat der jungen Britin aus vornehmem Haus mit einem reichen und gut aussehenden Amerikaner. Sie wollte der konservativen Engstirnigkeit im elterlichen Heim entfliehen und gerät doch vom Regen in die Traufe. Ihr Traum vom freiheitlichen Leben in einer modernen amerikanischen Grossstadt platzt in dem Moment, als ihr bewusst wird, dass sie stattdessen künftig in einem provinziellen Nest in den Appalachen und unter noch engeren Zwängen eines despotischen Schwiegervaters und eines gefühlsarmen, charakterschwachen Ehemanns leben muss. Doch dann erfährt sie vom WPA-Programm, lernt die unabhängige und furchtlose Margery kennen und schliesslich sich selbst.

Doch bis dahin ist es ein langer, sehr steiniger Weg, der den Hauptteil des Romans ausmacht. Alice erfährt Höhen und Tiefen, stösst allenthalben auf Vorurteile und Ungerechtigkeiten gegen Frauen und erlebt innerhalb weniger Monate Abenteuer, die für ein ganzes Leben reichen. Sie muss erfahren, dass ausser der Bibel und Gottes Wort Bücher für nicht wenige Hinterwäldler Teufelswerk sind, dass Bildung im Allgemeinen und schon gar für Frauen überflüssig zu sein scheint. Aber auch, dass Arme und Farbige mehr oder weniger rechtlos sind.

Jojo Moyes hat viel in ihren Roman gepackt. Neben Frauen- und Bürgerrechten nimmt die 50-Jährige, die mit ihrer Familie in Essex lebt, den Rassismus aufs Korn, beschreibt die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen in den Kohlebergwerken Kentuckys der damaligen Zeit - einer noch heute unterentwickelten armen Region der Staaten - und prangert die moralinsaure Haltung so mancher Menschen an, die oft hart an Heuchelei grenzt. Auf der anderen Seite preist Moyes die Schönheit der Natur, singt ein Loblied auf starke Frauen und belohnt am Ende deren Kampf mit...

Die Autorin hat sich ins Zeug gelegt für ihren Roman, mehrmals Kentucky besucht und selbst die historisch verbürgten Routen der Bücherfrauen abgeritten. Ihre Figuren sind zumeist realitätsnah, obwohl die eine oder der andere vielleicht etwas überzeichnet ist, während zum Beispiel Alices Ehemann eher unfertig erscheint. Ehrenwert ist ihr Bemühen, die wahre Stärke jener Frauen herauszuarbeiten, die man getrost als Wegbereiter der Emanzipation bezeichnen kann, und sehr gelungen sind ihre Naturschilderungen.

Nun ja, Jojo Moyes kann gut schreiben, was sie als Journalistin früher unter anderem auch beim «Independent» schon bewies. Ihr neues Buch ist zwar vorhersehbar, aber auch spannend, teils lustig, teils erschütternd und immer unterhaltsam. Und doch werden nicht wenige Leser am Ende das Gefühl haben, zu viel Süsses konsumiert zu haben. Für die einen ist es Edelkitsch, für andere das Buch des Jahres. Auch wenn sich Jojo Moyes dagegen wehrt - wie ihre anderen Bücher wird auch dieses Werk voraussichtlich als typischer Frauenroman eingeordnet. Was soll's: Der Umsatz ist ihr gewiss, und die Filmrechte sind auch bereits an Hollywood vergeben.

- Jojo Moyes: Wie ein Leuchten in tiefer Nacht, Wunderlich Verlag, Hamburg, 544 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-8052-0029-5.

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