Lena Meyer-Landrut: Der lange Weg aus dem ESC-Schatten
Zehn Jahre nach ihrem ESC-Sieg ist Lena Meyer-Landrut angekommen - als Sängerin und als Mensch. Aber es ist ein langer Weg zu sich selbst gewesen. 2017 war dabei ein einschneidendes Jahr.
Das Wichtigste in Kürze
- Am 29.
Mai 2010 ist ganz Deutschland im Lena-Rausch. Es ist schon kurz nach Mitternacht, da verschickt die Deutsche Presse-Agentur die Eilmeldung: «Lena gewinnt den Eurovision Song Contest».
Beim Public Viewing in Hannover, der Heimatstadt der Sängerin, bricht derartiger Jubel aus, als hätten die deutschen Fussballer soeben das WM-Finale gewonnen.
Im kleinen Schwarzen und mit breitem Lächeln verzaubert die junge Lena Meyer-Landrut vor zehn Jahren Europa. Die spanische Zeitung «El Mundo» nennt sie «die deutsche Lolita». Am Ende bekommt sie mit ihrem modernen Popsong «Satellite» satte 246 Punkte. Es ist nach Nicoles «Ein bisschen Frieden» 1982 erst der zweite deutsche Sieg beim oft belächelten, manchmal auch etwas peinlichen europäischen Gesangswettbewerb.
Die damals 19-jährige Meyer-Landrut hatte sich zuvor schon bei Stefan Raabs ESC-Casting «Unser Star für Oslo» souverän durchgesetzt, kurz danach ihre erste Platte aufgenommen und quasi nebenbei das Abitur bestanden. Fans und Medien sind verzaubert von Lenas natürlicher und kecker Art. Nach dem ESC-Sieg geht es für sie Schlag auf Schlag weiter.
«Ich habe viele Sachen mitgemacht, von denen ich noch keine Ahnung hatte», sagt Meyer-Landrut heute über ihren steilen Aufstieg. «Ich war auch viel zu beschäftigt und hatte überhaupt keine Kapazität und Zeit, Dinge aufzunehmen und zu lernen.» Lena wird quasi über Nacht zum deutschen Gemeingut erklärt. Alle erwarten, dass sie freundlich ist und lächelt. «Ich habe nur noch reagiert, reagiert, reagiert.»
Der scheinbar stets gut gelaunte ESC-Champion baut eine Schutzmauer auf, wirkt zunehmend gereizt. Arrogant. In einem Interview mit Show-Dino Frank Elstner, das ihr noch heute nachhängt, antwortet sie patzig. Auch im Arte-Format «Durch die Nacht mit» präsentiert sie sich nörgelnd und frech. «Ganz schön zickig, Lena Meyer-Landrut!», titelt die «Welt».
«Ich habe das nicht bemerkt, es war auch nicht mein Plan. Das war einfach eine Reaktion auf Dinge, die mir passiert sind und über die ich nicht nachdenken konnte», erklärt die Musikerin mit viel Abstand.
Es brauchte wohl einer eingehenden Tiefenanalyse, um den Trubel nach dem unerwarteten ESC-Erfolg zu verarbeiten. Meyer-Landrut nimmt sich diese Zeit 2017. Sagt ihre Tour ab, cancelt ihr Album, schmeisst die schon fertigen Songs in die Tonne. Restart.
Heute ist die Sängerin, die im nächsten Jahr 30 Jahre alt wird, auch Influencerin. 3,4 Millionen Menschen sehen zu, wenn sie auf Instagram perfekt inszenierte Bilder postet, aber auch ernste Dinge wie Mobbing im Netz anspricht. Wer sie zu Interviews trifft, erlebt eine stets freundliche und reflektierte Künstlerin.
Die ersten beiden Alben, die damals rund um den ESC-Hype entstanden waren, bezeichnet sie mittlerweile als ihre schlechtesten. Viele Dinge würde sie heute anders machen. Dass sie beim ESC 2011 in Düsseldorf erneut angetreten ist, hätte aus ihrer heutigen Perspektive nicht sein müssen.
Dass sie bei einigen nach wie vor als arrogant und zickig gilt, finde sie «krass»: «Einmal was Doofes gesagt und es dauert lange, das wieder umzudrehen. Weil die negativen Sachen meistens lauter sind, als die positiven.»