Martin Scorsese bei Netflix: Grünes Licht für teures Gangster-Epos
Das Wichtigste in Kürze
- Der neueste Film von Martin Scorsese «The Irishman» läuft auf Netflix.
- Scorsese wollte teuren Film drehen und erhielt von den Hollywood-Studios eine Abfuhr.
Im jüngsten Mafia-Meisterwerk von Martin Scorsese altern und verjüngen sich die Stars über einen Zeitraum von 40 Jahren. Teure Digitaleffekte machten es möglich, doch die Drehkosten schossen auf über 160 Millionen Dollar.
Martin Scorsese brachte seine letzten Filme wie «Silence» und «The Wolf of Wall Street» mit Paramount Pictures heraus. Doch diesmal erhielt er vom Hollywood-Studio eine Abfuhr. «Wir mussten einen teuren Film machen», erklärte Scorsese im Oktober im Interview mit dem US-Branchenblatt «Variety».
Martin Scorsese: «Das Filmgeschäft verändert sich –nicht unbedingt zum Besseren.»
«Das Filmgeschäft ändert sich von Stunde zu Stunde – nicht unbedingt zum Besseren. Viele Stellen, die wir früher um Geld gefragt hätten, waren nicht mehr praktikabel. Dann nahmen wir Gespräche mit Netflix auf», erzählte der Oscar-Preisträger.
Der Rest ist Geschichte. Scorsese brachte das dreieinhalbstündige Epos bei dem Streamingdienst unter, Kosten und Überlänge spielten offenbar keine Rolle. Eine Schockwelle ging durch Hollywood. Ein Cineast wie Scorsese, Verfechter des klassischen Kinos und grosser Leinwände, wechselt zum Streamen?
Kino-Ausstrahlung nur für Oscar-Nominierung?
Vor dem Streamingstart bei Netflix an diesem Mittwoch war «The Irishman» nur wenige Wochen in wenigen ausgewählten Kinos zu sehen. Die grossen US-Kinoketten boykottierten den Film, die Betreiber fürchten um ihre Geschäfte. Sie verlangen eine deutlich längere, profitable Laufzeit, um einen Streifen in ihr Programm aufzunehmen.
Um bei den Oscars mitzumischen, müssen Filme jeweils eine Woche lang in einem Kino im Raum Los Angeles gezeigt werden. Diese Auflage hat Martin Scorsese erfüllt, sagt der amerikanische Kino-Experte Jason Squire. «Netflix hat ein riesiges Interesse, bei den Oscars Wirkung zu zeigen, ähnlich wie mit «Roma» im vorigen Jahr.»
Im Febraur war ein Film von Netflix bereits mit zehn Nominierungen als Favorit ins Oscar-Rennen gezogen. Es war der Schwarz-Weiss-Film «Roma» des Mexikaners Alfonso Cuarón.
Angriff der Streamingdienste auf die Kinos
Die grossen Studios gehen mit eigenen Streamingdiensten zum Angriff über. Der Unterhaltungsriese Walt Disney gab am 12. November den Startschuss für Disney+, um eigene Filme exklusiv im Netz anzubieten.
WarnerMedia will im kommenden Frühjahr mit HBO Max in das boomende Geschäft einsteigen. «Ocean's Eleven»-Regisseur Steven Soderbergh und Meryl Streep sind schon mit der Komödie «Let Them All Talk» an Bord.
Kino-Experte Squire begrüsst den Wandel in der Branche. Während die Kinoleinwände von Blockbustern und Fortsetzungen bestimmt werden, drängen gleichzeitig immer mehr hochwertige Streamingprodukte auf den Markt. «Die Kunden profitieren am Ende von einer viel grösseren Auswahl», erklärt der Herausgeber der Filmbibel «The Movie Business Book».