Mehr als Hip-Hop: Posthumes Album von Mac Miller
Das Wichtigste in Kürze
- Das Licht im Studio 2 der berühmten Londoner Abbey Road Studios ist gedimmt.
Ein paar elektronische Kerzen flackern künstlich. Die Stimmung ist ruhig, melancholisch, und der Anlass ist bittersüss.
Starproduzent Jon Brion (Rufus Wainwright, Aimee Mann, Brad Mehldau, Fiona Apple, Kanye West) ist nach London gekommen, um einer kleinen Gruppe von Journalisten und Label-Mitarbeitern das posthum erscheinende neue Album von Mac Miller vorzustellen.
Der US-Rapper, Sänger und Songwriter, der zeitweise mit Pop-Megastar Ariana Grande liiert war, starb 2018 im Alter von nur 26 Jahren an einer versehentlichen Überdosis aus Drogen, Alkohol und Medikamenten, kurz bevor er auf Tournee gehen wollte. Man merkt Brion das Unbehagen an. «Mac war herzlich, überaus freundlich, sehr intelligent, und es war eine Freude, ihn im Raum zu haben», erzählt er. «Es ist total unfair, dass ich hier an seiner Stelle sitze, und es gefällt mir nicht besonders.»
Brion erzählt trotzdem von der Arbeit an «Circles», das eine Weile vor Millers Tod, fast gemeinsam mit dem Vorgängeralbum «Swimming», aufgenommen wurde. Der 56-Jährige berichtet von guter Laune im Studio. Mac und er hätten zusammen mehr gelacht als gearbeitet, sagt Brion. Dabei ist «Circles» eine schwermütige Platte. «Mac hatte Angst, sie herauszubringen, aber er wollte sie auch unbedingt veröffentlichen wegen ihrer Verletzlichkeit», sagt Millers früherer Manager Christian Clancy. Hip-Hop habe ein Problem mit Verwundbarkeit, so Brion. Die Szene sei «in einem schlimmen Zustand, und in keiner Weise ermutigt sie dazu, Verletzlichkeit zu zeigen».
«I need somebody to save me, bevore I drive myself crazy» (Ich brauche jemanden, der mich rettet, bevor ich mich selbst in den Wahnsinn treibe) - das ist eine der Songzeilen, die sofort im Kopf bleiben. Millers Probleme mit Depressionen und Drogenmissbrauch waren lange bekannt. Er machte kein Geheimnis daraus, sang und rappte oft darüber. Manchmal schien es fast, als habe er eine Vorahnung, zumindest war er sich der Gefahr seines Lebensstils bewusst. «Eine Überdosis ist nicht cool», sagte er 2016 dem Musikmagazin «Fader».
«Dieses Album zu hören, nachdem so etwas passiert ist, ist schwer», gibt Jon Brion zu. «Swimming» sei im Vergleich dazu ein «spassiges» Album gewesen. «Circles» ist langsamer und melancholischer, aber sehr vielseitig. Ist das noch Hip-Hop? Ja. Aber auch so viel mehr. Genregrenzen gibt es nicht bei diesem Musiker, der mit bürgerlichem Namen Malcolm James McCormick hiess. Er singt mehr als dass er rappt - und er klingt dabei wirklich sehr verwundbar und emotional. Der wenige Tage vor dem Album veröffentlichte Song «Good News» ist als melancholische Ballade ein wunderbares Entree.
Als Miller ihm die Tracks erstmals vorgespielt habe, sei er unsicher gewesen, erzählt sein Produzent. «Ist das okay?», soll ihn der vielseitig talentierte junge Musiker gefragt haben. Für Brion falsche Bescheidenheit: «Er hat mir zwei oder drei Sachen vorgespielt, und es hat mich umgehauen. Denn es war alles richtig, richtig gut.»
Einflüsse von John Lennon oder dessen Songwriter-Kumpel Harry Nilsson («Without You») - beide soll Miller bewundert haben - sind hörbar. Dann wird es auch mal loungig oder funky. «Wir haben uns so gut verstanden, weil keiner von uns mit dem musikalischen Problem von Alt gegen Neu belastet war», erklärt Brion. Miller spielte fast alle Instrumente selbst. Aufmerksames Hinhören lohnt sich aber nicht nur wegen der starken Texte, sondern auch wegen kleiner Sounddetails und Spielereien, wie sie für den Studiozauberer Brion typisch sind.
«Ich vermisse ihn nicht nur unglaublich. Ich hatte mich auch auf die weitere Zusammenarbeit gefreut», sagt der Grammy-nominierte Produzent und Komponist («Magnolia», «Vergiss mein nicht!»). Ähnlich wie für Brion, Manager Clancy und all die Menschen, die Mac Miller nahe standen, wird «Circles» auch für seine Fans ein bittersüsses Hörerlebnis sein. Ein bewegendes Album und ein hochklassiges Abschiedswerk, das nicht als solches geplant war.