«Polizeiruf 110: Daniel A.»: Gewissen vs. Outing im neuen Rostock-Fall
Das Wichtigste in Kürze
- Im neuen «Polizeirauf 110» muss der Tod einer jungen Frau aufgeklärt werden.
- Ein trans Mann wird verdächtigt, hat aber Schwierigkeiten seine Unschuld zu beweisen.
- Der junge Mann möchte noch nicht geoutet werden, und meidet die Polizei daher.
Das Rostocker «Polizeiruf 110»-Kommissariat um Katrin König (Anneke Kim Sarnau) und Melly Böwe (Lina Beckmann), muss einen Mord aufklären. Fälschlicherweise wird ein junger Mann (Jonathan Perleth) verdächtigt. Den sucht die Polizei, ohne zu ahnen, dass sich der trans Mann noch nicht geoutet hat. Davor hat er auch panische Angst …
Darum geht es im «Polizeiruf 110: Daniel A.»
Die Grundschullehrerin Nathalie Gerber (Lea Freund) wird tot auf dem Parkplatz der Kneipe «Knockout» aufgefunden. Dort war sie mit ihrem Online-Date Daniel A. (Perleth) verabredet.
Nach ihm wird nun gesucht. Doch Daniel kann sich nicht bei der Polizei melden, denn er ist ein trans Mann, der noch nicht geoutet ist.
Seine grösste Angst ist es, dass sein Vater Frank Adamek (Jörg Witte) auf diesem Weg davon erfährt. Katrin König und Melly Böwe haben nur die letzten Angaben aus Nathalies Dating-App zur Verfügung: Demnach suchen sie einen Mann, der in einem Rostocker Chor gesungen hat.
Böwes Einstand im Revier wird trotz Kuchenbrötchen nicht gemütlich, denn auch auf dem Kommissariat gibt es Reibungspunkte rund um Geschlechterbilder. Wie lebt es sich für Röder (Uwe Preuss, geb. 1961), Thiesler (Josef Heynert, 46) und Pöschel (Andreas Guenther, 49) mit zwei Frauen an der Spitze? Und wie gehen die beiden Frauen miteinander um – Thiesler prophezeit einen Zickenkrieg.
Währenddessen kämpft Daniel mit seinem schlechten Gewissen. Im Speziellen um sein selbstbestimmtes Outing und um seine grosse Liebe Hanna Blankenstein (Alina Stiegler).
Als er auf Marc Wigand (Max Krause, geb. 1993) trifft, Nathalies Sandkastenfreund und späteren Stalker, glaubt Daniel, aus seinem Dilemma erlöst zu sein: Er kann den Täter präsentieren und die eigene Identität schützen. Doch da irrt er sich ...
Lohnt sich das Einschalten?
Auf jeden Fall. Die Zuschauenden wissen von Beginn an, wer es war und vor allem, dass Daniel nichts damit zu tun hat. So bleibt viel gut genutzter und eindrücklich inszenierter Raum, um von der misslichen Lage des jungen Transmannes zu erzählen. «Trotz eines starken Ermittlerkrimis ist Daniel unsere Hauptfigur», bestätigt Regisseur Dustin Loose (36).
«Wir erzählen um ihn herum und begleiten ihn in viele Situationen hinein. Die Geschichte, die wir erzählen, ist aber so universell und nahegehend, dass es am Ende gar nicht mehr wichtig ist, wer sich als was identifiziert und wie man was nennt. Denn letztlich erzählen wir von einem Menschen im Kampf mit und um sich selbst», fasst er zusammen.
Jonathan Perleth spielt den liebenswerten und verzweifelten Daniel, in dessen Pass noch Daniela steht, unfassbar gut und glaubhaft. Und das, obwohl er beim Casting noch Schauspielstudent war.
Vielleicht konnte er Daniels Angst aus eigener Geschichte heraus etwas besser nachvollziehen, denn Perleth erzählte dem Sender über die Castingphase: «Ich hatte gerade erst ein halbes Jahr Testosteron genommen, sah also noch relativ weiblich aus. Aber auf den ganzen Casting-Portalen, auf denen man mich hätte finden können, hatte ich meinen Namen schon zu Jonathan geändert.»
Die Schreibweise «trans Mann» ist laut NDR im Übrigen die von ihm gewählte.
Castingprozess war offen für alle
Regisseur Loose erklärt zum Castingprozess: «Natürlich hatten wir auch den Wunsch, für diese Rolle jemanden zu finden, der selbst eine trans Person ist. Wir haben ein sehr aufwändiges, erst mal ergebnisoffenes Casting betrieben mit trans Personen, non-binären Schauspielenden, Cis-Hetero-Schauspielern etc. Das war eine sehr intensive Arbeit.»
«Polizeiruf 110: Daniel A.» ist ein echtes Drama und ein spannender Krimi, bei dem an den richtigen Stellen aber auch Humor auftritt. Apropos, was den Film noch so sehenswert macht, ist die Neujustierung des Rostocker Ermittlerteams. Spätestens nach dieser Folge dürften die Zuschauerinnen und Zuschauer die Neue – Kommissarin Melly Böwe – ins Herz geschlossen haben.
Das liegt an der Rolle, aber auch an Lina Beckmanns Schauspielkunst. Von cooler Kommissarin ist hier weit und breit nichts zu sehen. Dafür bekommt das Sonntagskrimipublikum eine Figur präsentiert, mit der man sich identifizieren kann. So herrlich normal, ein bisschen tollpatschig und unfreiwillig komisch und doch erfolgreich bei der gemeinsamen Aufklärung des Falls.
Der Krimi als Hörfilm
Und noch ein kleiner Tipp am Schluss: Den «Polizeiruf 110: Daniel A.» gibt es begleitend zum Krimi auch als Audio-Podcast in der ARD Audiothek. Wie der Sender weiter mitteilt, sind in der Hörfassung zum Beispiel für unterwegs die Originalstimmen aller Schauspielenden zu hören. Hinzukommt eine Erzählstimme, die durch die Handlung der Geschichte führt.
Die 90-minütige Hörfilmfassung des Fernsehkrimis steht ab dem 19. Februar 2023 zum Streaming und Download bereit.