Krebs

Schriftsteller Martin Pollack 80-jährig gestorben

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Österreich,

Der oberösterreichische Schriftsteller Martin Pollack ist im Alter von 80 Jahren an Krebs gestorben.

Martin Pollack
Journalist, Schriftsteller und Osteuropa-Kenner Martin Pollack. (Archivbild) - Keystone

Der vielfach ausgezeichnete oberösterreichische Schriftsteller, Übersetzer und Journalist Martin Pollack ist am Freitag gestorben. Er erlag im Alter von 80 Jahren einem langjährigen Krebsleiden. Dies teilte der Residenz Verlag mit.

Pollack feierte seine grössten Erfolge mit Werken, in denen er die leidvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts beleuchtete und diese mit seiner eigenen NS-belasteten Familiengeschichte verknüpfte. Vor allem mit Werken wie «Anklage Vatermord» (2002), «Der Tote im Bunker» (2004) und «Kaiser von Amerika» (2010) habe er als Mahner gegen das Vergessen neue Massstäbe in der Erinnerungskultur gesetzt, würdigte ihn der Residenz Verlag am Freitag.

Neues Buch von Pollack «Zeiten der Scham» erscheint im Mai

Pollacks Bücher, in denen er sich auch als Kenner der osteuropäischen Geschichte zu profilieren wusste, wurden in 14 Sprachen übersetzt. Laut Verlag erscheint im Mai unter dem Titel «Zeiten der Scham. Reportagen und Essays» ein weiteres Buch von Pollack. Es soll Reportagen und Essays der vergangenen Jahre versammeln und zwei neue Texte beinhalten, die er trotz schwerer Krankheit noch verfasst hat.

Pollack wurde am 23. Mai 1944 im oberösterreichischen Bad Hall geboren und lebte in Wien und im Burgenland. Der Autor absolvierte zuerst eine Ausbildung als Bau- und Möbeltischler. Danach studierte er in Wien und Warschau Slawistik und osteuropäische Geschichte. Von 1987 bis 1998 war er Korrespondent des deutschen Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», ab 1998 arbeitete er als freier Autor.

Übersetzer und Autor mit Fokus auf Polen

Pollack machte sich unter anderem als Übersetzer des polnischen Autors und Journalisten Ryszard Kapuscinski einen Namen. Auch in seinem literarischen Schaffen stand Polen immer wieder im Zentrum, etwa in Büchern wie «Galizien» (2001), «Von Minsk nach Manhattan, Polnische Reportagen» (2006) und «Sarmatische Landschaften – Nachrichten aus Litauen, Belarus, der Ukraine, Polen und Deutschland» (2006).

In «Anklage Vatermord» rekonstruierte er einen Justizskandal der 1920er-Jahre, in «Der Tote im Bunker» (2004) begab er sich auf die Suche nach dem eigenen Vater, der als hochrangiger Gestapo-Beamter und SS-Offizier an der NS-Vernichtungsmaschinerie mitgewirkt hatte. 2010 schilderte Pollack in «Kaiser von Amerika» die Massenflucht von Juden, Polen und Ukrainern aus Galizien zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. 2016 erschien ein Sammelband mit seinen Essays («Topografie der Erinnerung»).

Pollack über Krebs: «Resignation gehört nicht zu mir»

In seinem Bericht «Die Frau ohne Grab» (2019) erzählte er vom Schicksal seiner Grosstante Pauline, die im Sommer 1945 als 70-Jährige von jugoslawischen Partisanen verhaftet und in ein Internierungslager gebracht wurde. Bald darauf starb sie. Ihr Grab wurde nie gefunden.

Pollack wurde bereits vor zwölf Jahren mit seiner Krebsdiagnose konfrontiert. Gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA erklärte Pollack im vergangenen Jahr, dass er in der Folge sein Schicksal sofort angenommen habe. «Resignation und Verzweiflung gehören nicht zu mir. Mich interessiert die Krankheit auch nicht.»

Vortrag über Österreichs Umgang mit NS-Vergangenheit

Dementsprechend arbeitete der umtriebige Autor auch weiter. So hielt er im Juni 2024 etwa unter dem Titel «The Long Shadow of a Sinister Past. A Never-Ending Story» einen Vortrag am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) über Österreichs jahrzehntelange Weigerung, das Ausmass seiner Mitschuld am Nationalsozialismus anzuerkennen.

Pollack ging darin auch der Frage nach, ob diese Weigerung das Land anfälliger für die Verlockungen des Rechtspopulismus gemacht hat. «Pollacks Bücher dokumentieren Geschichte und verzichten grossteils auf Fiktion», hiess es in der Jurybegründung des 2007 an ihn verliehenen Ehrenpreises des österreichischen Buchhandels.

«Sein Blick auf Gewesenes erreicht die Leser somit unverfälscht und direkt. Er gibt Zeugnis von der Vergangenheit und weist damit einen Weg in eine Zukunft, die vom Verständnis füreinander geprägt ist.»

Vielseitig geehrter Autor und Übersetzer

Im Sommer des Vorjahres wurde Pollack mit dem Würdigungspreis für Publizistik der Stadt Wien in «Anerkennung für ein literarisch anspruchsvolles Lebenswerk, insbesondere in seiner ethischen Dimension» geehrt. Seine zahlreichen Auszeichnungen umfassen auch den Österreichischen Staatspreis für literarische Übersetzungen (2003), den Leipziger Buchpreis für Europäische Verständigung (2011), den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik oder den Johann-Heinrich-Merck-Preis (beide 2018).

Dessen Jury hob Pollacks Beschäftigung mit «den vergessenen und verdrängten Ereignissen in der mitteleuropäischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts» hervor. «Wie sehr Geschichte eine Landschaft formt und dadurch wiederum das Leben der Menschen, die in ihr wohnen, wird durch die Essays von Martin Pollack begreifbar.»

Der ausgewiesene Osteuropa-Kenner äusserte sich immer wieder auch zu den jüngsten politischen Veränderungen und zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine: «Es gibt wenig Grund zum Optimismus. Die Lage ist finster», sagte er der Nachrichtenagentur APA angesichts der Lage in der Ukraine, im Nahen Osten und der politischen Stimmungslage in der EU.

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