Die Memoiren von Boris Johnson werden veröffentlicht. Seit Tagen zitieren konservative britische Zeitungen aus dem Werk: «Unleashed» ist der Name des Buchs.
Boris Johnson Queen Elizabeth
Boris Johnson, der bald seine Memoiren veröffentlichen wird, glaubt die wahre Todesursache von Queen Elizabeth II. zu erkennen. (Archivbild) - keystone

Boris Johnson tut wieder das, was er am liebsten macht: Er redet über Boris Johnson. Dass dabei die Wahrheit hier und da ein wenig auf der Strecke bleibt, ist eingepreist. Wichtig: Der britische Ex-Premierminister ist wieder im Gespräch. An diesem Donnerstag erscheinen seine Memoiren. «Boris Johnson ist ein grosser Bewunderer von Ex-Premier Winston Churchill und William Shakespeare», sagt der Politologe Mark Garnett von der Universität Lancaster. «Aber sein Lieblingsthema war immer er selbst.»

Seit Tagen zitieren die konservativen Zeitungen «Daily Mail» oder «Daily Telegraph», die Johnson traditionell nahestehen, aus dem Werk. Fast schon erwartbar, dass der 60-Jährige sich nicht ums Protokoll schert. Er plaudert aus, an welcher Krankheit Queen Elizabeth II. vor ihrem Tod angeblich litt. Er schwadroniert über Pläne, Corona-Impfstoffe in einer Kommandoaktion aus den Niederlanden zu stehlen, und setzt sich geradezu in Comic-Manier in Szene. Auszug: «Kapow! Kaboom!» Es sind die Erinnerungen eines Mannes, an den sich, freundlich gesagt, nicht jeder gerne erinnert.

«Unleashed» hat Johnson sein Buch genannt. Das heisst so viel wie «entfesselt» oder «von der Leine gelassen» – wie er in einem kurzen Clip mit seinem Hund Dilyn vorspielt. «Der Titel ist sicherlich ironisch gemeint. Der springende Punkt bei Johnson ist, dass er nie irgendeine Leine anerkannt hat», kommentiert sein konservativer Parteifreund, der Abgeordnete Jesse Norman, in der «Financial Times».

Die PR-Maschine rollt

«Cringe» würde man das Video mit Dilyn wohl heute nennen – zum Fremdschämen. Es ist ein typischer Johnson. Die blonden Haare künstlerisch verwuschelt, Blick in die Kamera, kurze, für alle verständliche Pointe. Darum lieben ihn immer noch viele Briten. Johnson gilt als «einer von uns». Dabei hat er eine elitäre Ausbildung genossen, verwendet gerne Begriffe, die auch Professoren nachschlagen müssen, und lebt mit Ehefrau Carrie und den drei gemeinsamen Kindern auf einem millionenschweren, denkmalgeschützten Anwesen in der Grafschaft Oxfordshire.

Wer in der Konservativen Partei etwas werden will, bezieht sich gerne auf Johnson, der seit seinem unfreiwilligen Auszug aus der Downing Street mit Vorschüssen auf Buchprojekte und Vorträge Millionen verdient hat. Demonstrativ zeigte sich Ex-Innenminister James Cleverly, der sich um die Parteiführung bewirbt, mit dem Ex-Premier.

Rund um die Veröffentlichung rollt die PR-Maschine. Seit Tagen gibt Johnson frei Schnauze seine Meinung ab. Deutlicher als früher wird er auf seine Unwahrheiten angesprochen. In typischer Manier geht er darüber hinweg. Was interessiert ihn sein Geschwätz von gestern.

Dem neuen Premierminister Keir Starmer, der teure Geschenke wie VIP-Tickets und Designerkleidung angenommen hat, wirft Johnson Gier vor. Es ist derselbe Johnson, der für die Renovierung seiner Dienstwohnung einst Zehntausende Pfund akzeptierte – und zunächst nicht deklarierte. Der sich einen Luxusurlaub in der Karibik zahlen liess sowie eine enorme Summe für die Hochzeit mit seiner dritten Ehefrau Carrie. «Den alten Betrüger» nennt einer, der Johnson seit Jahren beobachtet, den Politiker.

Johnson sieht «Partygate»-Affäre nicht als Fehler

Johnson beharrt in seinem Buch, er habe bei der «Partygate»-Affäre um Lockdownfeiern in der Downing Street nichts falsch gemacht. Er nennt das Verhalten eines notorischen Grapschers, dem er einen wichtigen Fraktionsposten gab, «eher unpassend als tyrannisch oder unentschuldbar». Er tritt gegen jeden nach, der ihn irgendwann mal kritisiert hat.

«Boris Johnson schreibt eleganter als jeder andere Politiker», lobt der «Telegraph». Und steht damit weitgehend alleine da. Als «Memoiren eines Clowns» verhöhnt der «Guardian» das Buch. «Die meisten Memoiren von Premierministern versuchen bis zu einem gewissen Grad, nachdenklich zu wirken. (...) Aber Boris Johnson ist nicht nachdenklich. Das war er nie und wird es auch nie sein.»

Die «Times» urteilt, «Unleashed» sei «ein wichtiges historisches Dokument, aber nicht unbedingt ein wertvolles». Und der «Economist» ätzt: «Boris Johnson zeigt, wie man keine politischen Memoiren schreiben sollte.» Einer von Johnsons Amtsvorgängern, der von ihm so geschätzte Churchill, erhielt den Literaturnobelpreis. Davon dürfte der 60-Jährige weit entfernt sein.

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