Die besten Singer-Songwriter-Neuerscheinungen des Herbsts
Einige Singer-Songwriter-Platten schaffen es unbeschadet durch die Corona-Pandemie. Hier finden sie die besten Neuerscheinungen des Herbsts.
Das Wichtigste in Kürze
- Während der Corona-Pandemie wird oft auch die Kunst von der Krise beeinflusst.
- Einige Singer-Songwriter-Alben bleiben jedoch verschont.
In vielen neuen Singer-Songwriter-Platten haben Lockdown und Social Distancing noch keine Spuren hinterlassen. Die Deutsche Presse-Agentur stellt einige hörenswerte Alben vor.
Von spartanischen Lockdown-Platten aus dem stillen Kämmerlein keine Spur: Die neuen Alben von Matt Costa, Jeremy Ivey, Luka Kuplowsly, Kevin Morby und Grant-Lee Phillips sind voll ausgereifte Singer-Songwriter-Statements.
Ein alphabetischer Überblick zu einigen der besten Neuerscheinungen im Herbst.
Matt Costa – «Yellow Coat»
Auf dem schmalen Grat zwischen Frohsinn im Fifties-Groove und seufzender Melancholie balanciert dieser Musiker auf seinem neuen Album. Und ehe man nun denkt, völlig überraschend eine interessante Neuentdeckung gemacht zu haben – von wegen. Der Mann gehört bereits 15 Jahre lang zur US-Folkpop-Szene.
Auch wenn die Handvoll Vorgänger-Platten schon ihre Qualitäten hatte, dürfte «Yellow Cat» nun Matt Costas reifstes und bestes Werk sein. Und zugleich eines der charmantesten Songwriter-Alben des Herbstes.
1982 im kalifornischen Huntington Beach geboren, wurde er in einem musikbegeisterten Haushalt erzogen. Dabei wurde er von einer Plattensammlung von Folk-Helden wie Richard Thompson, Nick Drake und Bob Dylan geprägt. Wohlklang in Beatles-Nähe war sein Ziel schon in älteren Liedern.
Jeremy Ivey – «Waiting Out The Storm»
Die beiden sind eine starke Kombination: Der Americana-Songwriter Jeremy Ivey aus Nashville und seine Ehefrau Margo Price, seit Jahren im selben Genre erfolgreich. Jetzt hat Price auch das zweite Album ihres Liebsten produziert. Und es ist noch besser geworden als das empfehlenswerte Debüt «The Dream And The Dreamer».
Countryrock hört man nur noch selten. Dafür mehr knackige Gitarren und Mundharmonika wie bei Neil Young sowie Harmony-Vocals, die an dessen raubeinige Truppe Crazy Horse erinnern. Stimmlich klingen Steve Wynn und Beck bei Jeremy Ivey an.
Auch rustikaler Soul und Blues finden auf «Waiting Out The Storm» verstärkt ihren Platz. Das Album hört sich insgesamt sehr mitreissend und zuversichtlich an. Dabei sieht sich Ivey (41), der eine Zeitlang in Boston als Obdachloser lebte, eigentlich eher als pessimistischen Typen.
«Ich schreibe nicht gerade viele positive Lieder, aber ich versuche auf jede Platte einen draufzupacken.» Dieser Song heisst nun «Things Can Get Much Worse» – und ist ein höchst wirksamer Muntermacher. Warten wir also auf ein Duett-Album von Ivey und Price.
Luka Kuplowsky – «Stardust»
In der immer wieder überraschenden Singer-Songwriter-Szene Kanadas ist er eine der Entdeckungen des Jahres: Luka Kuplowsky aus Toronto, ein junger Gitarrist und Sänger mit hörbar riesigem Talent.
Man denkt an seinen Landsmann Leonard Cohen in jüngeren Jahren oder an den Briten Nick Drake wenn man «Stardust» hört. Vor allem aber an die wichtigste weibliche Stimme aus Kuplowskys Heimat, Joni Mitchell. Etwa in «Never Get Tired Of Loving You» und dem Titelstück.
Grosse Namen, die schon andeuten, dass dieser Musiker einen höchst individuellen, weit vom Folkpop-Mainstream entfernten Sound zu bieten hat. Wie Kuplowsky in seinen Kompositionen Folk und Jazz verknüpft, ohne dass es verkopft klingt, zeugt von einem gereiften Künstler.
Dabei nutzt er sogar zu seinem Vorteil, dass er nicht die kräftigste Stimme hat. Deshalb bevorzugt Kuplowsky eher leise, weiche Vocals bis hin zum Sprechgesang. Die «Stardust»-Songs gewinnen durch diesen zurückhaltenden Vortrag eher noch an Intensität. Ein akustisches Labsal.
Kevin Morby – «Sundowner»
Wenn einem Sänger nachgesagt wird, wie die Schnittmenge aus Bob Dylan und John Lennon zu klingen, lohnt sich das Hinhören. Zudem ist Kevin Morby ein grandioser Songwriter, der mit «Singing Saw» 2016 eine der Platten des Jahres ablieferte. Damit feierte er auch gleich seinen Durchbruch.
«City Music» und «Oh My God» konnten dieses Niveau jedoch nicht halten. Dennoch gilt der 32-jährige US-Amerikaner weiterhin als grosses Versprechen für die Folkrock-Zukunft. Diesem Ruf wird auch Morbys sechstes Soloalbum seit 2013 gerecht, das coole «Sundowner».
Wie dieser Musiker hier mit Bezügen zur Rock-Historie und vielen Ideen nur so um sich wirft, wirkt schon fast verschwenderisch. Allein die Cohen-Melancholie des Titelstücks ist zum Niederknien. Auch seine noch junge Liebe zur Kollegin Katie Crutchfield hat Morby zu einer Reihe feiner Songs inspiriert. Bis auf Bass, Drums und Keyboards spielte er in den Recording-Sessions viele Instrumente selbst.
Grant-Lee Phillips – «Lightning, Show Us Your Stuff»
Vielen werden Grant-Lee Phillips als TV-Kleinstadtbarden der «Gilmore Girls» kennen. Ein wirklich schlechtes Album hat dieser Singer-Songwriter in seiner 30-jährigen Karriere noch nicht gemacht. Weder als Frontmann des tollen Folkrock-Trios Grant Lee Buffalo in den 90ern noch mit seinen Soloplatten.
Das einzige Problem: Seine warmen Lieder sind etwas zu unspektakulär, um ihm den Eintritt in die Champions League eines Bruce Springsteen zu gestatten. Das wird sich auch mit der ruhigen und wieder sehr schönen neuen Platte wohl nicht ändern.
Hier fliessen Folk-, Soul- und Countrypop-Elemente erneut perfekt zusammen. Am eindrücklichsten in der Ballade «Sometimes You Wake Up In Charleston». Wenn es in diesem Jahr nach dem brutalen US-Wahlkampf ein versöhnliches Album gibt, dann wohl «Lightning, Show Us Your Stuff».