«The Lion King» wird 30 und ist dennoch zeitlos

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Deutschland,

Wer den Disney-Klassiker «The Lion King» heute schaut, wird verwundert sein, wie düster der Zeichentrickfilm mitunter ist. Das macht ihn so schlüssig.

Die Neufassung des Films «Der König der Löwen» ist voller spektakulärer Bilder. Foto: Disney Enterprises
Die Neufassung des Films «Der König der Löwen» ist voller spektakulärer Bilder. Foto: Disney Enterprises - dpa-infocom GmbH

Filme, die man ganz ohne Bilder, allein am Ton, auch nach 30 Jahren innerhalb von Sekunden wiedererkennt, sind rar. «The Lion King» gehört dazu.

Erste Szene, eine Savannenlandschaft voller Tiere: Elefanten, Zebras, Ameisen. Und dann ein langgezogener Ruf: «Nants ingonyama bagithi baba!» Auch wenn man diesen Text (mancher Zuschauer soll heute noch überzeugt sein, dass jemand «Ahh Svenja!» ruft) so niemals hätte fehlerfrei niederschreiben können, weiss man sofort, was gleich passiert. Simba, klein und putzig, wird in den Himmel gereckt, das Tiervolk kniet nieder. Simba, der König der Löwen, ist geboren.

Vor 30 Jahren, am 18. November 1994, lief der Film in den Deutschschweizer Kinos an. Bis heute ist er gegenwärtig; er hat wie kaum ein anderer Zeichentrickfilm tiefe Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen. Sei es die zeitlose Eleganz des Soundtracks, das Musical, einzelne Sätze oder Bilder: Irgendwo dockt jeder an.

Die berühmte Eröffnungsszene, in der der Affe Rafiki den Tieren feierlich den kleinen Löwen Simba präsentiert, wurde schon zigfach nachgespielt, zum Beispiel in der Comedy-Serie «Modern Family». Der Sänger Pietro Lombardi nutzte sie mal als Vehikel, um seinen Followern das Geschlecht seines nächsten Kindes zu verraten.

Keine leichte Kost

Interessant ist das vor allem, weil ein derartiger Mega-Erfolg – auch finanziell – der royalen Grosskatzen-Familie nicht in die Wiege gelegt schien. Die Produktion stand intern zunächst im Schatten von «Pocahontas», einem anderen Disney-Film, der damals lange als die heissere Aktie galt. Die Regisseure von «The Lion King» mussten Leute regelrecht anbetteln, bitte in ihr Team zu kommen. Viele rückten in Jobs auf, die sie zuvor noch nicht gemacht hatten.

Interessant ist der immense Erfolg auch, weil der Film eigentlich gar keine leichte Kost ist. Die Szene, in der Löwenvater Mufasa – dieser Spoiler darf nach 30 Jahren erlaubt sein – vor den Augen seines Sohnes totgetrampelt wird, lässt noch heute erwachsene Menschen zum Taschentuch greifen. Schon nach zehn Minuten wird zudem im Plauderton darüber gesprochen, dass es für die Löwen – die sympathischen Helden der Geschichte – total selbstverständlich ist, Antilopen zu fressen. Gehört natürlich zu Realität – ist aber auf der Couch neben einem Fünfjährigen, der mitschaut, schnell emotionaler Sprengstoff.

Aber: Der Film ist eben noch viel mehr. Er erzählt auch von Liebe (zwischen Simba und Nala), von Mut, einem Helden und hat ein lustiges furzendes Warzenschwein zu bieten (Pumbaa). Die Bandbreite – von Vatertod bis Flatulenzen – ist erstaunlich. Ohne dass sich der Film dabei in zu komplizierten Seiten-Strängen verliert.

Wenn man mit dem Film-Experten Joachim Friedmann über den «The Lion King» spricht, dann fällt oft ein Wort: «archaisch». Gestalterisch sei der Film aus seiner Sicht damals nicht wirklich innovativ gewesen, sagt Friedmann, Professor für Serial Storytelling an der ifs Köln und Professor für Interaktive Dramaturgie an der HAW Hamburg. «Wenn man ihn heute anschaut, wirkt er ziemlich oldschool. Und das war er eigentlich auch schon damals», sagt er.

Aus der Not habe der Film aber eine Tugend gemacht. «Er war gestalterisch nicht sonderlich innovativ – und war es auch erzählerisch nicht», sagt Friedmann. «Dadurch ist er allerdings extrem archaisch und auf dem Punkt.»

Erzählmuster: Konzept der Heldenreise

Tatsächlich wird in der «The Lion King» eine Urzählung mit Tieren aufgeführt. Simba, der Prinz, wird von seinem Onkel Scar (im Original maliziös-genial gesprochen vom britischen Schauspieler Jeremy Irons) vertrieben, ist fast tot, rappelt sich aber mithilfe von Freunden (Timon und Pumbaa) auf, mäandert zwischen Freiheitsfreude und Pflichterfüllung, findet die Liebe, kehrt schliesslich gestärkt zurück und besiegt den Feind. Und das alles spielt sich in einer Art absolutistischen Erbmonarchie ab, die ziemlich vormodern wirkt.

Friedmann verweist auf das Konzept der Heldenreise, ein Erzählmuster, das sich in vielen Sagen und Märchen in aller Welt finden lässt. Der Film bilde es 1:1 ab. Christopher Vogler, einst Disney-Dramaturg, sei heute dafür bekannt, das Konzept für die Drehbuch-Welt tauglich gemacht zu haben.

Mit seinen mythologischen Ideen habe er auch Einfluss auf das Drehbuch von «The Lion King» genommen. «Und das merkt man extrem an der explizit archaischen und traditionellen Handlungsführung», sagt Friedmann. Und wenn man so archaisch erzähle – dann könne man das Publikum auch mit dem Tod konfrontieren.

Offensichtlich sind auch die Parallelen zu Shakespeares Hamlet. Der Onkel Scarl ist der klassische Bösewicht in der Tradition von Shakespeare. Disney hat also bewährte Zutaten in einen Topf gerührt. Entstanden ist am Ende etwas ganz Eigenes.

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