Vor 60 Jahren erschien die erste Single der Beatles
In die Top Ten der britischen Hitparade schaffte es die Single zwar nicht. Aber dass sie vor 60 Jahren auf Anhieb Platz 17 der heimischen Charts erreichte, war ein beachtlicher Erfolg für vier junge Männer, die damals ausserhalb ihrer Heimatstadt Liverpool und vielleicht noch Manchester nur wenigen Briten ein Begriff waren.
Am 5. Oktober 1962 erschien «Love Me Do», die Debütsingle der Beatles. Lange Zeit hatten die Liverpooler, die als Begleitband von Tony Sheridan die Single «My Bonnie» aufgenommen hatten, bei ihren Konzerten nur Coverversionen gespielt. Dass Musikgruppen ihre eigenen Songs schreiben, war damals unüblich.
«Love Me Do» war eine ihrer ersten Eigenkompositionen bei Auftritten - und in dieser Hinsicht eine Revolution. Paul McCartney und John Lennon hatten das Lied dem Vernehmen nach bereits Jahre zuvor als Jugendliche geschrieben.
Der Song war ein echtes Gemeinschaftswerk
««Love Me Do» haben wir komplett zusammen geschrieben», erinnerte sich McCartney in einem Interview aus Barry Miles' 1997 erschienenem, autorisiertem Buch «Paul McCartney: Many Years From Now». «Es kann sein, dass es auf einer ursprünglichen Idee von mir basiert, aber bei vielen (Songs) war es 50:50, und das war einer davon.» Hingegen war Lennon in einem Interview des «Hit Parader» überzeugt, McCartney habe den überwiegenden Anteil am Songwriting geleistet.
Bevor die Beatles «Love Me Do» mit Produzent George Martin in den Abbey Road Studios (die damals noch EMI Recording Studios hiessen) aufnahmen, hatten sie das Lied live immer mit Lennon als Leadsänger gespielt. Laut McCartney schlug Martin im Studio die Mundharmonika vor, die ebenfalls Lennon spielte. Weil der Song live aufgenommen wurde und es dadurch zur einer Überschneidung von Harmonika und Gesang gekommen wäre, übernahm McCartney im Refrain den Leadgesang.
«Ich kann immer noch die Nervosität in meiner Stimme hören», gestand McCartney in «Many Years From Now». Heute spielt der mittlerweile 80-Jährige den Song bei seinen Konzerten ganz ohne diese Aufregung. Zuletzt sang ihn der Ex-Beatle, als er vor mehr als 100 000 Menschen als Headliner beim berühmten Glastonbury-Festival in England auftrat.
Ringo Starr musste einem Studiomusiker weichen
Schlechte Erinnerungen an die Debütsingle hat Drummer Ringo Starr. Mehr als ein Dutzend Mal hatte das Quartett «Love Me Do» am 4. September eingespielt, doch Produzent Martin war unzufrieden mit dem Schlagzeugsound. Als die Beatles eine Woche später erneut ins Studio kamen, sass Studiomusiker Andy White am Schlagzeug. «Ich war am Boden zerstört, dass George seine Zweifel an mir hatte», erzählte Starr im Buch «The Beatles Anthology». «Ich hab den Kerl jahrelang gehasst.»
Starr ist trotzdem auf der Aufnahme vom 11. September zu hören, er spielt Tamburin. Allerdings veröffentlichte EMI am 5. Oktober 1962 zunächst doch die Version vom 5. September mit Starr am Schlagzeug. Erst als die Single im folgenden April neu aufgelegt wurde, nutzte man die Aufnahme vom 11. September mit White, die - sehr zum Leidwesen von Starr - auch auf dem Debütalbum «Please Please Me» zu hören ist.
Ähnlich kurios war die Situation damals in den USA, wo «Love Me Do» erst 1964 als Single erschien, als die Beatles in Amerika - auch dank ihres legendären Auftritts in der Ed Sullivan Show - bereits Superstars waren. Dort wurden zunächst aus Kanada importierte Schallplatten mit Starr an den Drums verkauft, später in den USA produzierte Singles mit White. Den Unterschied erkennt man daran, ob ein Tamburin zu hören ist oder nicht.
1995 veröffentlichten die Beatles auf «Anthology 1» sogar noch eine lange verschollen geglaubte dritte Version mit ihrem ehemaligen, unglücklichen Drummer Pete Best. Für den war es noch deutlich schlimmer gelaufen als für Starr. Noch im Sommer 1962 hatte Best bei den Probeaufnahmen von «Love Me Do» getrommelt. Wenig später trennten sich die Beatles von ihm. Über die Gründe dafür gibt es unterschiedliche Erzählungen.
Mit der zweiten Single begann die «Beatlemania»
Dass die Debütsingle Platz 17 der Hitparade erreichte, bestätigte die Plattenfirma EMI in ihrer Entscheidung, den Beatles einen Vertrag zu geben. Der grosse Durchbruch liess nicht lange auf sich warten. Nur drei Monate später, im Januar 1963, gelang den «Fab Four» mit ihrer zweiten Single «Please Please Me» der Sprung an die Spitze der beiden damals existierenden britischen Hitparaden. Bald darauf grassierte nicht nur in Grossbritannien eine Massenhysterie um die Gruppe aus Liverpool. «Beatlemania» nannte die Presse das weltweite Phänomen.
In Deutschland hatten sich die Beatles schon durch ihre mitreissenden Auftritte im Hamburger Star-Club von April bis Mai 1962 einen Namen gemacht. Noch im selben Jahr kehrten Paul McCartney, John Lennon und George Harrison mit Ringo Starr statt Pete Best für mehrere Konzerte im November und Dezember nach Hamburg zurück. Hingegen mussten die deutschen Schallplattengeschäfte noch warten. Heute undenkbar: In der Bundesrepublik erschien die Single «Love Me Do» erst am 4. März 1963, fünf Monate später als in Grossbritannien.