Abtreibung: Gesetzesänderung soll Hürden und Stigma verringern
20 Jahre nach der Einführung der Fristenlösung soll die Gesetzeslage um Abtreibungen neu beurteilt werden. Denn noch immer werde das Thema stigmatisiert.
Das Wichtigste in Kürze
- Zwei Nationalrätinnen haben Ende Juni ein Postulat eingereicht.
- Es fordert die Evaluation der Gesetzeslage bezüglich Abtreibungen in der Schweiz.
- Sexuelle Gesundheit bestätigt, dass es noch Hürden gibt bei Schwangerschaftsabbrüchen.
Im Jahr 2002 trat in der Schweiz die Fristenregelung in Kraft. Diese ermöglicht einen straffreien Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche. Nach wie vor ist Abtreibung noch im Strafgesetzbuch verankert. Vergangenes Jahr lehnte das Parlament eine Überführung ins Zivilgesetzbuch ab.
Wie sieht es 20 Jahre später aus? Die Nationalrätinnen Min Li Marti (SP/Zürich) und Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG) haben Ende Juni ein Postulat mit genau dieser Frage eingereicht. Es fordert die Überprüfung der in der Schweiz geltenden gesetzlichen Regelungen zu Abtreibungen.
Bundesrat nimmt Postulat zu Abtreibung entgegen
Marti sagt gegenüber Nau.ch: «Der Sinn des Postulats ist, ausserhalb des Strafrechts gewisse Defizite anzugehen.» Dabei gehe es beispielsweise um die gesundheitliche Versorgung und um die Information der Betroffenen. Aber auch um mögliche Hürden beim Zugang, Stigmatisierung von Betroffenen oder unterschiedliche Praxen in den Kantonen.
«Ich bin daher erfreut, dass der Bundesrat mein Postulat entgegennimmt und eine Evaluation der Gesetzgebung vornimmt. Dabei wird sich im Bericht zeigen, ob es noch Lücken oder Handlungsbedarf gibt.»
Auch Barbara Berger, Geschäftsführerin von Sexuelle Gesundheit Schweiz, bestätigt: Es gebe immer noch Hürden und Diskriminierung. Diese könnten finanzieller Natur sein oder beim Zugang zu Leistungen und ausreichenden und klaren Informationen bestehen. «Die Strukturen innerhalb der Spitäler gehen noch immer zu wenig auf die Bedürfnisse der Betroffenen ein.» Diese würden oftmals bevormundend und stigmatisierend behandelt werden.
Abtreibungen bleiben eine strafgesetzliche Angelegenheit
«Gemäss WHO-Richtlinien kann die Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs eine abschreckende Wirkung entfalten», so Berger. Der Wortlaut im Gesetz vermittle, dass ein Schwangerschaftsabbruch ein sozial schädliches Vorgehen darstelle. Und, dass es durch das Vorliegen einer Notlage gerechtfertigt werden müsse.
«Das heisst, dass ein Schwangerschaftsabbruch in erster Linie per Gesetz eine strafrechtliche Angelegenheit ist.» Und erst in zweiter Linie eine Frage der Selbstbestimmung oder eine gesundheitliche Entscheidung.
«Damit stehen Gesetz und Praxis im Widerspruch, wobei das Selbstbestimmungsrecht untergraben und der Stigmatisierung Vorschub geleistet wird.» Dass der Bundesrat die Evaluation der gesetzlichen Regelung befürworte, öffne den parlamentarischen Prozess wieder.
SP-Nationalrätin Marti betont abschliessend: Die Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruches in den ersten zwölf Wochen, sowie bei medizinischen Ausnahmen nach dieser Frist, sei «mehrheitlich unbestritten». «Auch daher sind die Initiativen, welche den Zugang zur Abtreibung einschränken wollten, gescheitert», sagt die Zürcherin.