AHV, AKW, Kita & Cannabis: So tickt der neue Nationalrat
Wie würde der neue Nationalrat bei Rentenalter 67 oder Cannabis-Legalisierung stimmen? Die Vorwahl-Befragung verrät es.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Nationalrat ist mit den Wahlen 2023 neu zusammengesetzt.
- Wie er bei kontroversen Themen stimmen wird, lässt sich bereits jetzt abschätzen.
- Aufgrund der Smartvote-Antworten zeigt sich: So rechtskonservativ wird es wohl gar nicht.
Bereits lange vor den Wahlen 2023 haben die meisten Kandidierenden den Fragebogen von Smartvote ausgefüllt: 75 Fragen zu 14 Themenblöcken. 200 der Tausenden von Möchtegern-Nationalräten sind nun tatsächlich gewählt. Von ihnen lässt sich deshalb genau sagen, wie sie sich in der Mehrheit zu ausgesuchten Fragen stellen. Und auch, aus welchen Parteien sich diese Mehrheiten zusammensetzen.
Rentenalter und Kinderbetreuung: Mitte-Links im Vorteil
Zwar gibt es aus FDP-Kreisen Bestrebungen, das Rentenalter beispielsweise auf 67 Jahre anzuheben. Betrachtet man die Antworten der Parlamentarier, werden die Freisinnigen aber selbst von der SVP im Stich gelassen.
Rot-Grün und die Mitte sperren sich schon fast im Alleingang dagegen. Weil sich die SVP-Fraktion schön auf alle Antwortmöglichkeiten verteilt, ist die Nein-Mehrheit perfekt. Ausser die SVP schwört ihre Leute noch auf Parteilinie im Ja-Lager ein.
Umgekehrt sieht das Bild bei der gesellschaftspolitischen Frage für jüngere Semester aus: In Sachen Kinderbetreuung ist nun die SVP «allein zu Hause».
Aus allen anderen Parteien gibt es grosse Anteile, die auch Familienmodelle mit zwei berufstätigen Elternteilen ganz okay finden. Oder gar sehr okay, wie der Balken links mit vor allem SP-, FDP-, Grünen- und GLP-Vertretern zeigt.
Drittes Geschlecht und umstrittene Asylzentren im Ausland
Natürlich interessiert auch das grosse Thema der Wahlen 2023, die Migration. Auftrieb hat der Vorschlag, Asylsuchende in Zentren ausserhalb Europas unterzubringen.
Dort soll dann auch das Asylverfahren abgewickelt werden. Die Mehrheit der Nein-Sager ist denkbar knapp und für einmal könnten bei dieser Frage sogar die «Anderen» ausschlaggebend sein.
Deutlicher im Links-Rechts-Schema zeigen sich die Antworten bei der Frage nach dem dritten Geschlecht. Zustimmung von links und GLP, Ablehnung von Mitte und rechts. Damit scheint klar, dass hier die nächsten vier Jahre sich nichts bewegen wird.
Neue AKWs vielleicht, «legalize it» mit Chancen
In Sachen Atomstrom ist nichts mehr in Stein gemeisselt. Zwar liegen die Gegner der nuklearen Option leicht in Führung, mit total 105 Stimmen aus «Nein» und «eher nein».
Das sind aber nur 10 Stimmen Unterschied gegenüber den AKW-Befürwortern, was sich im Verlauf der Jahre gut verschieben kann.
Ein anderes grosses Thema und seit Jahrzehnten umstrittene Frage aus der Gründerzeit der Grünen ist die Cannabis-Legalisierung.
Dafür gibt es nun immerhin auch Zustimmung aus bürgerlichen Parteien. Sehr komfortabel ist die Mehrheit zwar nicht, aber sie ist definitiv vorhanden.
Strassenverkehr ausgebremst, ÖV im Plus
Eher linkslastig scheint der neue Nationalrat auch beim Thema Verkehr zu sein. Liegt es daran, dass Verkehrsminister Albert Rösti mit seiner «Sowohl-als-auch»-Strategie überall ausbauen will? Jedenfalls getraut sich nur eine einzige Person (aus der SVP), beim öffentlichen Verkehr «deutlich weniger» Ausgaben zu fordern.
Fast die Hälfte des Rats will gleich viel Geld ausgeben wie bis anhin. Fast gleich viele Nationalrätinnen und Nationalräte sind allerdings auch bereit, auf «mehr» oder «deutlich mehr» zu gehen.
Eventuell ist der Faktor «Rösti» aber auch gar nicht so relevant. Beim Strassenverkehr zeigt sich nämlich ein anderes Bild, trotz Baustellen-Ankündigungen des Verkehrsministers.
Ihm folgt diesbezüglich primär die SVP. Die Mehrheit setzt beim Strassenbau aber auf Stillstand oder Abbau der Ausgaben. Für einmal stellen die Geradeaus-Fahrer die grösste Gruppe. Deshalb könnte es beim Strassenverkehr – je nach Vorlage – in beide Richtungen weitergehen.