Alain Berset sieht Positivitätsrate kritisch
Die vom BAG publizierte Positivitätsrate ist massiv überschätzt. Das gibt nun auch Alain Berset zu - und will dies bei Öffnungsschritten berücksichtigen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Positivitätsrate der Corona-Tests wird vom BAG massiv überschätzt.
- Deswegen soll dieser Wert nicht mehr als Kriterium für Lockerungen beachtet werden.
- Das sieht auch Gesundheitsminister Alain Berset so, wie er in der Fragestunde mitteilt.
Restaurants bleiben in der Schweiz geschlossen. Treffen von mehr als fünf Personen zu Hause bleiben verboten. Daran änderte auch die Monster-Debatte des Nationalrats zum Covid-Gesetz nichts.
Deshalb schaut die Schweiz gebannt auf die Entwicklung der Fallzahlen des Coronavirus. Einer der Schlüsselindikatoren für eine baldige Öffnung: die sogenannte Positivitätsrate. Diese muss unter fünf Prozent sinken, damit der Bundesrat die Regeln lockert. Aktuell pendelt die Zahl um genau diese Zahl.
Das Problem: Der täglich vom BAG publizierte Wert ist massiv überschätzt. Denn von den bereits stattfindenden Massentests werden nur die positiven Fälle in der Statistik erfasst, wie Nau.ch kürzlich publik machte.
Alain Berset beantwortet kritische Frage zur Positivitätsrate
Das treibt den für viele Firmen und Familien zentralen Wert massiv in die Höhe. Bis anhin gab sich das BAG kritikresistent. Nun greift aber Gesundheitsminister Alain Berset persönlich ein.
In der Fragestunde äussert er sich auf eine kritische Frage von SVP-Nationalrat Mike Egger deutlich. «Der Bundesrat ist sich bewusst, dass diese Meldevorgaben einen direkten Einfluss auf die Positivitätsrate haben und dies entsprechend ein unvollständiges Bild gibt», erklärt er.
Auch deshalb habe die Landesregierung bewusst auf ein fixes Ampelsystem verzichtet. Berset verspricht: «Der Bundesrat wird die Auswirkungen der aktuellen Meldevorgaben auf die Positivitätsrate bei seinem Entscheid über allfällige weitere Öffnungsschritte berücksichtigen.»
Damit schafft Alain Berset in einem sehr umstrittenen Punkt endlich Klarheit. Aber: Die täglich ausgewiesene Positivitätsrate verkommt endgültig zur Farce, wenn sogar der Bundesrat diese kaum mehr ernst nimmt.
Berechnungsmethode ändert sich nicht
An der aktuellen Berechnungsmethode wird sich indes vorderhand nichts ändern. «Wenn auch alle Massentests gemeldet und erfasst werden, würde die Positivitätsrate so tief sinken, dass sie ihre - inzwischen ohnehin beschränkte - Aussagekraft verlieren würde», begründet Berset in seiner schriftlichen Antwort.
Hinzu komme, dass eine Meldepflicht von negativen Resultaten einen grossen administrativen Aufwand mit sich bringe. «Damit würde der Anreiz reduziert, breite Testungen durchzuführen», sagt Berset auch im Hinblick auf kommende Massentests in Firmen oder Schulen.
SVP-Nationalrat Mike Egger sagt im Gespräch mit Nau.ch: «Ich bin überrascht, dass Bundesrat Berset diesen immensen Fehler einräumt.» Das zeige die Wichtigkeit von kritischen Medien und dem Parlament.
Die kritische Haltung von «gerade» seiner Partei werde hierdurch bestätigt. «Doch die Tragweite dieses Versagens ist immens», so Egger weiter. «Ich hoffe, dass dieses Kriterium komplett wegfällt.»