Ärger für Berger: Kritik an zauderndem Impf-Chef
EKIF-Präsident Christoph Berger steht in der Kritik: Er sei wie schon beim Booster auch bei der Kinder-Impfung viel zu zurückhaltend.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Impfung gegen Coronavirus ist in der Schweiz neu auch für 5- bis 11-Jährige empfohlen.
- Trotzdem gibt es von Impf-Befürwortern Kritik an EKIF-Präsident Christoph Berger.
- Dieser sei viel zu zurückhaltend; schon beim Booster habe er zu lange zugewartet.
Von einigen Eltern wurde dieser Moment sehnlichst erwartet: Die Empfehlung der Impfkommission (EKIF) für die Impfung von 5- bis 11-Jährigen. Nach der Zulassung durch Swissmedic für den Pfizer-Impfstoff gab am Dienstag auch die EKIF grünes Licht.
Dass der Impfstoff erst im Januar zur Verfügung stehen wird, gehört nicht in die Kompetenz der Impfkommission. Dass EKIF-Präsident Christoph Berger die Empfehlung eher widerwillig und mit vielen Vorbehalten verlas, sorgt im Parlament dagegen für Irritation. In den sozialen Medien kursiert schon seit Monaten der Hashtag «#Bergermussweg».
«Schwach von der EKIF»
So wird die Impfung mit dem für Kinder adaptierten Pfizer-Impfstoff von der EKIF schlicht «empfohlen». Anders als die zweite Impfung für Erwachsene oder der Booster für Risikogruppen, der «dringend empfohlen» wurde. Einzig für Kinder mit Risikofaktoren empfiehlt die EKIF die Impfung «prioritär», für genesene Kinder ohne Risiken hingegen überhaupt gar nicht.
«Mich hat diese Zurückhaltung eher erstaunt», sagt dazu Grünen-Präsident Balthasar Glättli. Corona-Papst Martin Bäumle (GLP) geht mit seinem Ex-Erzfeind einig: «Es ist etwas schwach von der EKIF, ich hätte mehr erwartet.»
Während die beiden Nationalräte diplomatisch bleiben, ist in der Wandelhalle auch heftige Kritik an der Person Berger zu hören. Der Präsident der Impfkommission würde wohl am liebsten überhaupt nicht impfen, heisst es kopfschüttelnd.
Nicht mehr im Normalbetrieb
Bäumle macht unterdessen auf Optimismus: Endlich gehe es los. «Diejenigen, die ihre Kinder impfen lassen wollen – und ich kenne viele, die darauf warten – können jetzt ab Januar.» Natürlich sei er nicht begeistert und zu kritisieren gebe es viel.
Zum Beispiel, dass in einer Krise die Situation anders als im Normalbetrieb sei, moniert Glättli. Da könne man gut über die eine oder andere Impfung geteilter Meinung sein. Vier-, fünf- und sechsfache Impfungen für Kleinkinder lassen grüssen.
In einer Pandemie sei Impfen und Boostern aber ganz zentral. Ergo auch seine Kritik am EKIF-Präsidenten: Dass man mit dem Boostern zu lange zugewartet habe. «Obwohl alle anderen Ländern bereits Statistiken zur Impfwirkung hatten. Jetzt sind wir wieder zu spät dran und das mitten in der Krise.»
Impfen für das Kind und für die Gesellschaft
Sowohl Glättli wie Bäumle stört, dass die EKIF primär auf den Eigenschutz der Kinder schaue. «Es stimmt, für den Eigenschutz ist bezüglich der Akut-Erkrankungen die Impfung nicht die oberste Priorität», sagt Glättli. Aber aus gesellschaftlichen Aspekten sei die Impfung sinnvoll, das gelte auch bei anderen Erregern. «Viele der Kinder-Erkrankungen sind für Kinder selbst nicht unbedingt problematisch, aber sind es dann, wenn sie Erwachsene angreifen.»
Heute wisse man, dass Kinder beim Coronavirus ein wichtiger «Transmissionsriemen» seien, wie Glättli es nennt. Insbesondere, wenn jetzt noch Omikron dazukomme, ergänzt Bäumle. «Jeder Mensch, Kind oder Erwachsener, der geimpft ist, hilft, die Pandemie zu bremsen.» Geimpfte Kinder schützen Eltern und Grosseltern, und umgekehrt.
Die EKIF aber gelangte zu ihrer Empfehlung aufgrund der «aktuellen epidemiologische Lage mit Delta». Der EKIF auch noch vorhalten, sie sei im Sommer stecken geblieben, mag Bäumle aber nicht. Er freut sich lieber aufs Impfjahr 2022: «Man muss generell vorausschauen und nicht nur rückwärts. Aber es ist klar: Offensiver wäre besser, aber wichtig ist genau so, dass es kein Zwang ist.»
Fragen für Christoph Berger – danach
Ziel müsse sein, dass man in Zukunft nicht mehr über Schulschliessungen reden müsse, betont Glättli. Und fast unisono sagen beide Interviewten: Wichtig sei jetzt, dass ab Januar alle die, die wollen, auch impfen können. Bäumle hofft auf 50 Prozent der Kinder, Glättli hofft, die Kinderärzte hätten den Ernst der Lage erkannt. Dass sie bei Gelegenheit die Impfung empfehlen, nicht nur unter dem Aspekt des Eigenschutzes, sondern auch der Solidarität.
Mit der Kritik an EKIF-Präsident Christoph Berger wollen sie sich aber zurückhalten. Er habe teilweise Verständnis für dessen betonte Sorgfältigkeit, aber andererseits brauche es eine klare Ansage, findet Glättli. Optimist Bäumle will auch hier vorwärtsschauen, nicht zurück: «Danach kann man Bilanz ziehen und wird die eine oder andere Frage stellen müssen.»