Armeeverband fordert Zusammenlegung von Zivildienst und Zivilschutz
Der Armeeverband VMG kritisiert die Bürgerdienst-Initiative und schlägt eine Alternative vor: Ein Sicherheitsdienst sei die angemessene Lösung für die Schweiz.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Volksinitiative fordert eine Bürgerdienstpflicht für junge Menschen in der Schweiz.
- In Armeekreisen stösst das Anliegen auf Gegenwind: «Ein untaugliches Dienstpflichtmodell.»
- Zivildienst und Zivilschutz sollten zusammengelegt werden – das Sicherheitsdienstmodell.
Am vergangenen Donnerstag hat ein Komitee in Bern die Unterschriften für die «Service-Citoyen-Initiative» eingereicht. Das Volksbegehren zielt darauf ab, Artikel 59 der Verfassung zu ergänzen.
Jeder junge Mensch in der Schweiz soll als Teil der Grundausbildung einen «zeitgemässen Einsatz zugunsten der Gemeinschaft und Umwelt» leisten: eine sogenannte Bürgerdienstpflicht. Initiantin Noémie Roten spricht von einer «Fitnesskur für das Schweizer Milizsystem».
Unverhoffte Schützenhilfe
Kritisiert wird das Anliegen primär von Armeegegnern und Sozialdemokraten – doch nicht ausschliesslich: Auch in Bundesrat und Armeekreisen stösst das Volksanliegen auf reichlich Gegenwind.
Der Bundesrat hatte eine Bürgerdienstpflicht bereits im März 2022 zugunsten alternativer Modelle verworfen: Die Landesregierung empfiehlt stattdessen eine «Sicherheitsdienstpflicht» oder eine «bedarfsgerechte Dienstpflicht nach norwegischem Vorbild» – eine obligatorische Stellungspflicht auch für Frauen.
Auch der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz (VMG) zieht beide Modelle demjenigen der Bürgerdienstpflicht vor – insbesondere dasjenige der Sicherheitsdienstpflicht. Die Initiative hingegen lehnt der militärische Dachverband «klar und deutlich» ab: Die Bürgerdienstpflicht sei unpraktikabel, bürokratisch und verschärfe die Personalprobleme in Armee und Zivilschutz.
Bürgerdienstpflicht löst Personalprobleme nicht?
Auf Anfrage von Nau.ch erklärt VMG-Präsident und Oberst im Generalstab Stefan Holenstein: Im Prinzip begrüsse er den Vorstoss. Denn er stosse eine Debatte um die Thematik der allgemeinen Dienstpflicht an – auch für Frauen. «Das ist den Initianten zugutezuhalten!»
Gleichzeitig ziele die Initiative jedoch am «Kern des Alimentierungsproblems» vorbei, wie der ehemalige Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) betont: Bei der Dienstpflicht würde ein ausgedehntes Wahlrecht dazu führen, dass Bürgerinnen und Bürger denjenigen Dienst auswählen, der am attraktivsten erscheint. Da die persönlichen Opfer in Armee und Zivilschutz aber erheblich grösser seien, würden sie im Vergleich unattraktiver wirken.
Sicherheitsdienstpflicht als Alternative?
«Da hilft auch die von den Initianten vorgesehene Limite wenig, um die Armee- und Zivilschutzbestände sicherzustellen.» Diesen Unklarheiten könne das Modell der Sicherheitsdienstpflicht jedoch begegnen: Mittels Zusammenlegung von Zivilschutz und Zivildienst zu einem sogenannten Katastrophenschutz würde die faktische Vorrangstellung des Zivildienstes beendet werden.
Auf diese Weise könne die Armee die Anzahl Personen rekrutieren, die zur Bestandssicherung nötig sei, erklärt der VMG-Präsident. Die restlichen Dienstpflichtigen wiederum könnten ihren Dienst im Katastrophenschutz leisten: «Entweder im eher technischen, unterstützenden Bereich, analog zum heutigen Zivilschutz. Oder im Gesundheits-, Sozial- und Umweltschutzbereich, analog zum heutigen Zivildienst.»
Ferner würden die zuständigen Bundesämter für Zivilschutz und Bevölkerungsschutz zusammengeführt. Damit würden alle Dienstpflichtigen in einer Einsatzorganisation nach klaren, einheitlichen Vorgaben ihren Dienst leisten. «Ein ‹Jekami› nach aktueller Zivildienst-Manier gäbe es dann nicht mehr.»
Nicht mehrheitsfähiges Modell?
Als weiteren Kritikpunkt führt Holenstein ins Feld, dass die Landesverteidigung im Modell der Initianten nicht als zentrale Staatsaufgabe festgeschrieben sei. Die Sicherheit sei aber gerade im Zeitalter von Kriegen und volatilen Sicherheitslagen in Europa umso wichtiger.
Die Bürgerdienstpflicht im Sinne der Initianten sei jedoch nicht sicherheitspolitisch ausgerichtet – im Gegenteil: «Armee und Zivilschutz werden als sicherheitspolitisch relevante Instrumente marginalisiert», wie Holenstein bemängelt. Dieser Ansatz sei gefährlich, betont der Militäroffizier.
Überdies würde die Bürgerdienstpflicht das Zwangsarbeitsverbot gemäss EMRK infrage stellen und die Privatwirtschaft unnötig konkurrenzieren, so Holenstein weiter. Schliesslich wäre die vorgesehene Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen zwar richtig und konsequent, derzeit aber gesellschaftspolitisch umstritten und nicht mehrheitsfähig.
Als Alternative schlägt Holenstein die flankierende Einführung eines obligatorischen Orientierungstages für Frauen vor – unter Beibehaltung der Freiwilligkeit der Dienstpflicht: «Der VMG ist überzeugt, dass sich der Frauenanteil in der Armee damit substanziell erhöhen liesse.»
Zusammenfassend hält VMG-Präsident Holenstein fest: Das Modell der Sicherheitsdienstpflicht in Kombination mit einem obligatorischen Orientierungstag für Frauen sei demjenigen der Bürgerdienstpflicht klar vorzuziehen. «Das Modell stellt die für die Schweiz angemessene Lösung dar und wäre auch in der Gesellschaft mehrheitsfähig. Zu diesem Schluss ist 2022 auch der Bundesrat in seiner Auswahl gekommen.»