Bund soll bei Medikamentenengpässen mehr Kompetenzen erhalten
Zukünftig sollte der Bund in der Lage sein, Engpässe bei oft genutzten und günstigen Medikamenten wirksamer zu beheben.
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Der Bund soll Engpässe bei günstigen und häufig genutzten Medikamenten künftig wirksamer bekämpfen können. Die Landesregierung schlägt dazu einen neuen Verfassungsartikel vor – und nimmt damit ein Anliegen der Versorgungsinitiative auf.
Die im Herbst 2024 eingereichte Initiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit (Versorgungsinitiative)» will, dass der Bund die Erforschung, Entwicklung und Herstellung von wichtigen Heilmitteln in der Schweiz fördert und den Zugang dazu sicherstellt. Hinter dem Volksbegehren stehen zahlreiche Verbände, Organisationen und Unternehmen des Gesundheitswesens.
Aktuell würden hierzulande Hunderte Medikamente fehlen, machen sie geltend. Es bestehe dringender Handlungsbedarf.
Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider bestätigte am Mittwoch in Bern vor den Medien, dass die Situation ernst sei. Sie betonte aber gleichzeitig, dass die Gesundheit der Bevölkerung nicht in Gefahr sei. «Die Problematik ist erkannt.»
Günstige Medikamente oft Mangelware
Am häufigsten treten Versorgungsengpässe bei den günstigen Medikamenten auf, jenen mit abgelaufenem Patentschutz. Dazu gehören zum Beispiel Schmerzmittel, Impfstoffe oder Antibiotika. «Ausgerechnet da kann der Bund heute aber mangels Versorgungskompetenzen nicht tätig werden», sagte Baume-Schneider.
Gemäss den heutigen Zuständigkeiten sind die Kantone grundsätzlich für die Gesundheitsversorgung verantwortlich. Und die Sicherstellung der Versorgung mit Heilmitteln und medizinischen Gütern ist primär Aufgabe der Wirtschaft.
Der Bund kann erst bei drohenden schweren Mangellagen lebenswichtiger Medikamente sowie in Epidemien oder Pandemien zur Bekämpfung übertragbarer, stark verbreiteter oder bösartiger Krankheiten aktiv werden.
Das soll sich ändern. Mit einer Verfassungsänderung soll der Bund künftig bei Engpässen von günstigen und häufig genutzten Medikamenten eingreifen können – «in Zusammenarbeit mit den Kantonen und unter Einbezug der Wirtschaft», wie der Bundesrat schrieb.
Verfassungsänderung als Lösungsansatz
Wie das genau funktionieren soll, blieb zunächst offen. Bis im Sommer soll das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) den direkten Gegenentwurf zur Versorgungsinitiative konkretisieren.
Der Hauptgrund für das Problem liegt laut den Initiantinnen und Initianten im «jahrelangen, massiven, internationalen Preisdruck» auf Medikamenten, sodass diese nicht mehr in der Schweiz oder in Europa produziert werden könnten. Baume-Schneider sagte dazu, dass sich die Pharmaindustrie immer mehr auf gewinnträchtige Medikamente konzentriere.
Generell hat der Bundesrat viel Verständnis für das Anliegen der Initiantinnen und Initianten. «Wir müssen die Versorgung mit wichtigen Heilmitteln stärken», sagte Baume-Schneider. Die Initiative sei aber zu wenig wirksam und zielgerichtet, um die Versorgungslage zu verbessern. Deshalb setze der Bundesrat auf einen alternativen Verfassungstext.
Bundesrat unterstützt Initiative
«Dieser soll gezielt dort ansetzen, wo der Handlungsbedarf am dringendsten und die Wirkung am grössten ist, nämlich bei günstigen und häufig genutzten Medikamenten der Grundversorgung», sagte Baume-Schneider. Hier könne der Markt allein keine lückenlose Versorgung gewährleisten. Der Staat müsse künftig eingreifen können, wenn die Möglichkeiten der Wirtschaft ausgeschöpft seien.
Ausserdem will der Bundesrat mit dem Gegenentwurf Lücken in den Zuständigkeiten zwischen Bund, Kantonen und Wirtschaft schliessen. Beim Vertrieb oder bei der Förderung von Forschung und Entwicklung sieht er im Gegensatz zu den Urheberinnen und Urhebern der Initiative dagegen keinen Handlungsbedarf für den Bund. «Ein allgemeiner Pharmaförderartikel wäre nicht zielführend», sagte Baume-Schneider.
Nach dem Ausarbeiten des direkten Gegenvorschlags bis im Sommer soll eine Expertengruppe bis Ende Jahr weitere Massnahmen zur Stärkung der Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln präsentieren, wie die Gesundheitsministerin sagte.