Marketing auf Instagram: Bundesrat erntet Lob und Tadel von Experten
Seit drei Monaten ist der Bundesrat auf Instagram. Nau.ch hat bei Expertinnen und Experten um eine Analyse des Kanals gebeten: Die Bilanz fällt durchzogen aus.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat ist auf Instagram: Komplizierte Geschäfte sollen einfach erklärt werden.
- Nau.ch hat bei Experten und Expertinnen eine Analyse der ersten drei Monate eingeholt.
- Formell mache der Bundesrat vieles richtig. Dennoch ist noch immer viel Luft nach oben.
Seit knapp drei Monaten unterhält der Bundesrat einen offiziellen Account auf Instagram. Über den Kanal «Gov.ch» sollen komplexe Geschäfte einfach erklärt und einem primär jungen Publikum zur Verfügung gestellt werden. Gepostet werden Fotos, Videos und sogenannte Storys zum Tagesgeschäft der Landesregierung – dahinter steht ein Kommunikationsteam der Bundeskanzlei.
Leider scheint der Account bis jetzt noch nicht die gewünschten Erfolge erzielt zu haben. Gemäss einem Bericht von «10 vor 10» üben Expertinnen und Experten reichlich Kritik an den Inhalten auf dem neuen Kanal. Nau.ch wollte es etwas genauer wissen und hat bei vier Social-Media- und Marketing Experten um Analyse des magistralen Instagram-Accounts gebeten.
«Formell macht der Bundesrat auf Instagram vieles richtig»
Alle vier Experten sind sich einig: Grundsätzlich sei es begrüssenswert, dass der Bundesrat auf Instagram aktiv ist. Mike Schwede betont, dass die Schweiz in dieser Hinsicht ihren Nachbarländern gar einen Schritt voraus sei: Weder Deutschland noch Österreich verfügen über vergleichbare Angebote auf der Plattform.
Im Verhältnis zur Bevölkerung verfüge der Schweizer Account mit 56'300 Followern überdies schon nach drei Monaten über eine «stolze Reichweite». Insgesamt haben die Beiträge des Kanals deshalb schon rund 680'000 Personen erreicht. Schwede fügt an, auch das sogenannte «Engagement» könne sich durchaus sehen lassen: Rund 5,3 Prozent der Nutzer, die einen Post des Accounts sehen, interagieren auch mit demselben. Dies sei ein guter Wert – insbesondere weil Polit-Accounts allgemein weniger «fesselnd» seien, als beispielsweise ein Account von «Red Bull».
An dieser Stelle bemerkt der Content-Marketing-Experte Aldo Gnocchi allerdings: Rund 94 Prozent aller Kommentare wurden unter zwei Beiträgen gepostet. Ähnlich verhält es sich auch mit der Reichweite des Kanals: Hier machen die drei beliebtesten Beiträge rund 41 Prozent der gesamten Reichweite aus.
Schwede betont jedoch, dass die Aktivität des Bundesrates auf Instagram grundsätzlich «gut und sinnvoll» sei. Lediglich die Logik hinter dem regelmässigen Posten von Beiträgen am Mittwoch erschliesse sich dem Social-Media-Berater nicht gänzlich. Die Post-Typen wiederum seien «wie aus dem Lehrbuch» – mehrheitlich «Reels» und «Carousels». Zusammenfassend lasse sich festhalten, dass der magistrale Instagram-Account wenigstens formell vieles richtig mache.
Zu steife Kommunikation?
Unabhängig von Instagram kämen hier allerdings gewisse Defizite der Landesregierung zum Vorschein, welche sich schon während der Corona-Pandemie zeigten: Oft sei die Sprache nicht zielgruppenorientiert und verständlich genug und setze zu viel Vorwissen voraus, meint Schwede. Diese Einschätzung deckt sich auch mit derjenigen von Thomas Hutter: Der Online-Marketing-Experte würde sich ebenfalls wünschen, dass das Kommunikationsteam der Bundeskanzlei künftig zielgruppengerechtere und «freshere» Inhalte produziert.
Schwede verweist hierbei auf Barack Obama, dessen Kommunikation längst nicht so «abgehoben» sei wie jene der Schweizer Landesregierung. Den Ursprung dieses Problems sieht Schwede allerdings nicht direkt im Bundesrat: Vielmehr machten die internen Kommunikations-Berater deutlich zu viele Vorschriften, weshalb die Landesregierung oft «viel zu steif» daherkomme. Gerade in diesem Kontext sei der Auftritt des Bundesrates auf Instagram schon «fast revolutionär» – aber eben noch nicht genug.
Empfehlungen für die Zukunft
Künftig müssten die Inhalte daher «verständlicher, knackiger und etwas lockerer» werden. Ferner sei auch in Sachen Produktionswert noch viel Luft nach oben. Gerade in diesen beiden Aspekten könnte die Landesregierung durchaus mit Zielgruppenvertretern und Co-Creator-Postings arbeiten, um Reichweite und «Engagement» zu verbessern: «Alles, was ein US-Präsident kann, kann ein Bundesrat schon lange. Man sollte sich nicht zu ernst nehmen und die Persönlichkeit der Bundesräte und Bundesrätinnen mehr einbringen.»
Su Franke gibt hier allerdings zu bedenken, dass Social Media aus politischer Sicht auch zahlreiche Stolperfallen bereithält. Das kürzliche Debakel um das Silvester-Video der deutschen Verteidigungsministerin habe dies eindrücklich zur Schau gestellt. Sie begrüsst den «orchestrierten Auftritt» des Bundesrats – auf diese Weise könnten auch Pannen vermieden werden.
Die Expertin für Online-Kommunikation sieht die grosse Chance für den Account im Dialog mit der Community. Statt ausschliesslich auf Information zu setzen, könnte der Bundesrat künftig versuchen, mit gezielten Inhalten eine Gemeinschaft aufzubauen: Dabei denkt Franke insbesondere an Meinungsumfragen, Abonnement-Aufrufe oder den zielgerichteten Einsatz von Hashtags.