Bundesratswahl: Ritter & Pfister können SP & Grüne nicht begeistern
Die 76 Stimmen von SP und Grünen könnten morgen entscheidend sein. Auch nach den Hearings: Beide Parteien wollen sich erst morgen früh festlegen.

Das Wichtigste in Kürze
- Nach SVP, FDP und GLP mussten die Bundesratskandidaten heute bei Links-Grün zu Hearings.
- SP wie Grüne sind weiterhin wenig angetan vom Ticket mit Markus Ritter und Martin Pfister.
- Die SVP will mehrheitlich Ritter wählen, die GLP mehrheitlich Pfister.
17.00: Das machen die beiden Kandidaten in der «Nacht der langen Messer»
In der Nacht vor Bundesratswahlen sollen Geheimpläne geschmiedet, Taktiken festgelegt und letzte Überzeugungsarbeit mittels legaler Drogen geleistet werden. Der Legende nach jedenfalls. Die beiden Mitte-Kandidaten wollen es aber ruhig angehen lassen.
00:00 / 00:00
Martin Pfister muss noch einige Sachen für morgen vorbereiten. «Und dann freue ich mich darauf, meine Familie zu sehen.»
Keine Zeit für lange Messer hat auch Markus Ritter. Seine Frau komme nach Bern, «sie könnte schon hier sein». Dann gehe man zusammen essen und diskutieren.
Morgen müsse er schon vor fünf Uhr aufstehen: «Um 7 Uhr ist noch Briefing durch das Fedpol, Viertel nach Sieben Fraktionssitzung.» Um 8 Uhr geht es dann los im Parlament. «Morgen ist ein intensiver Tag und darum werden meine Frau und ich heute Abend nicht mehr ein grosses Programm haben.»
16.55: Auch die SP will sich (noch) nicht festlegen.
«Was ich aber sagen kann, ist, dass für uns klar ist, dass der Anspruch der Mitte auf diesen Sitz völlig unbestritten ist», sagt Co-Fraktionspräsidentin Samira Marti. Aber nach der morgigen Wahl werden die Frauen nur noch mit zwei von sieben Sitzen in der Regierung vertreten sein. «Das ist für uns ein staatspolitisches Drama», mahnt Marti.
00:00 / 00:00
Sie erinnert daran, dass die Schweiz erst zehn Bundesrätinnen hatte, vier davon aus der SP. «Damit haben wir unsere staatspolitische Verantwortung mehr als übernommen.» Auch die SP will morgen in aller Frühe noch die Diskussion fortsetzen. Fragen beantwortet die SP dagegen nicht, sondern die Fraktionsspitze geht gleich zurück ins Sitzungszimmer.
16.50: Die Grünen beklagen erneut die gebotene Auswahl.
Ein Viertel der Wählenden werde auch morgen Mittag immer noch nicht in der Regierung vertreten sein, sagt Fraktionspräsidentin Aline Trede. Sie spricht damit die Wählerschaft von Grünen und Grünliberalen an. Aber auch anderes: «Die Generationenfrage war wirklich ein grosses Thema».
Ob Ritter oder Pfister, morgen werde man ein Bundesrats-Gremium haben, die alle innerhalb acht Jahren auf die Welt gekommen sind. In dem Sinne: «Warum schafft es die drittgrösste Partei im Land nicht, ein etwas ausgewogeneres Ticket zu haben?» Von der Geschlechterthematik ganz zu schweigen.
00:00 / 00:00
Die Grünen zeigen sich enttäuscht: Bei beiden Kandidaten sei kein Input zu Klima, Umwelt, Biodiversität, Grundrechte oder Gleichstellung gekommen. Also den Kernthemen der Grünen.
Entschieden haben die Grünen denn auch noch nicht, wem sie den Vorzug geben sollen. Morgen früh soll es noch einmal eine Sitzung geben. Dort soll entschieden werden, ob die Grünen eine Empfehlung abgeben.
16.30: Martin Pfister sieht keine Unterschiede und Markus Ritter hat in den SP-Gesichtern Zustimmung herausgelesen.
Martin Pfister ist nach dem Hearing bei den Grünen zufrieden – und sieht auch zufrieden aus. «Es war sehr interessant, ich bekam gute Fragen und konnte diese auch gut beantworten.» Einen Unterschied, ob er bei SP oder Grünen besser ankam, will Pfister nicht ausgemacht haben. Ob er viele linke Stimmen erhalte, könne er nicht sagen.
00:00 / 00:00
Es sei allein schon wichtig, die Fragen zu kennen. So erhalte er auch ein Gespür dafür, was die Sorgen des Parlaments seien, sollte er morgen zum Bundesrat gewählt werden.
Ritter sagt nach dem Hearing bei der SP zunächst dasselbe wie zuvor bei den Grünen. Es seien die erwartbaren Fragen gekommen und es sei interessant gewesen. Hat er aber auch ein paar Fraktionsmitglieder überzeugen können, dass er nicht ganz so ein schlimmer Mensch sei? Das müsse man die SP schon selber fragen, weicht Ritter zunächst aus.
00:00 / 00:00
«Ich fand es eine sehr gute Diskussion und in den Gesichtern habe ich viel Zustimmung gesehen», bestätigt er dann. Wichtig sei, dass man die Fragen auch kompetent beantworten könne. Natürlich gebe es Meinungsunterschiede, aber auch gemeinsame Haltungen beispielsweise bei sozialen Fragen oder dem Service public. Damit hofft Ritter offenbar, punkten zu können.
16.25: Die SVP unterstützt grossmehrheitlich Markus Ritter.
Das teilt die grösste Fraktion per Communiqué mit: «Er zeigt den nötigen Führungswillen, um die Probleme im VBS anzugehen.» Ritter kenne als langjähriger Parlamentarier die Abläufe in Bundesbern. In wichtigen Dossiers habe er gezeigt, dass er tragfähige Lösungen und Allianzen herbeiführen könne.
16.10: Die Grünliberalen betonen die Wahlfreiheit.
Die GLP-Fraktion hat sich noch einmal beraten und hält fest, dass die Fraktionsmitglieder frei seien in ihrem Wahlentscheid. Erneut betont Fraktionspräsidentin Corina Gredig aber, dass Martin Pfister eindeutig näher an den Positionen der GLP stehe als Markus Ritter.

Das betreffe die Rolle der Schweiz in der europäischen Sicherheitsarchitektur, die Finanz- und Wirtschaftspolitik und die Energiewende.
15.50: Bei der SP scheint man schnell verstanden zu haben, wie Martin Pfister tickt.
Er kommt rund zehn Minuten zu früh bereits wieder aus dem Fraktionszimmer. Trotzdem findet er, es sei gut gelaufen und er habe alle Fragen beantworten können. Pfister findet aber auch, «Ritter bleibt Favorit». Ist das nun Taktik?
00:00 / 00:00
Markus Ritter gibt sich derweil leutselig, obwohl die Journalistenfragen vorwiegend auf Französisch gestellt werden. Es habe eine ausführliche, breite Anhörung gegeben, wie erwartet mit vielen ökologischen Fragen.
Wie viele Stimmen er bei den Grünen machen werde, könne er nicht sagen, «wie übrigens bei jeder Fraktion.» Ab zur nächsten Fraktion also, die SP warte bereits, wimmelt er weitere Fragen ab. Dort angekommen, gibt er immerhin noch zu Protokoll, er sei optimistisch: «Wie immer.»
15.00: Ohne viele Worte marschieren die beiden Kandidaten zu ihrem ersten Hearing.
Martin Pfister beginnt bei der SP, Markus Ritter bei den Grünen. 50 Minuten lang werden die beiden von der politischen Konkurrenz gegrillt. Das ist für Hearings eher an der oberen Grenze. Der Informationsbedarf scheint also hoch zu sein.
Die Ausgangslage
Die beiden Bundesratskandidaten Martin Pfister und Markus Ritter buhlen am Tag vor der Bundesratswahl um die Stimmen von Links-Grün. Insbesondere die 50 Stimmen der SP könnten entscheidend sein. Denn bei den anderen Parteien gibt es bis jetzt keinen klaren Favoriten.
Bei der Mitte-Partei sollen sich die Stimmen etwa gleichmässig auf ihre eigenen Kandidaten verteilen. Bei der FDP galt Pfister als Favorit, doch soll Ritter aufgeholt haben. Bei der SVP ist Ritter mehr oder weniger gesetzt, gleiches gilt für Pfister bei den Grünliberalen. Doch das reicht noch für keinen der Kandidaten zum absoluten Mehr.
SP und Grüne im Clinch: Wer ist kleineres Übel?
Doch bei Links-Grün hat man ein Problem: Markus Ritter mag man nicht – aber mit Martin Pfister wird man, aus anderen Gründen, auch nicht richtig warm.
Es sei eine Wahl zwischen «Pest und Cholera», formulierte es die Co-Chefin der SP-Fraktion, Samira Marti. Nachträglich entschuldigte sie sich für die Wortwahl, aber die Aussage ist klar: Keiner der beiden Herren mag zu begeistern. Insbesondere auch, weil keiner der Herren eine Frau ist.
Störfaktoren bei beiden Kandidaten
Beim obersten Bauernlobbyisten Ritter stört Links-Grün, dass er sich – als Biobauer – immer wieder gegen Umwelt-Anliegen stellt. Gegen Klimaschutz und Biodiversität, aber für Pestizide: Bei den Parteien mit Öko-Gewissen ist Markus Ritter eigentlich unten durch.

Gegenüber Martin Pfister haben SP und Grüne aber ebenso Vorbehalte. Bei ihm gelte «privat» vor «Staat», als Zuger untersteht er dem Generalverdacht, den russischen Rohstoffhandelzu begünstigen.
Trotzdem aber werden sich die beiden Parteien bis morgen früh entscheiden müssen. Spielchen mit Sprengkandidatinnen werden zwar keine erwartet. Möglich wäre immerhin, dass ein grösserer Teil der SP- und Grünen-Fraktion morgen leer einlegt. Um so mehr wird relevant, welcher der beiden Kandidaten sich in den Hearings am besten verkauft.