CO2-Zertifikate: Kritik an Arbeitgeber von Grünen-Nationalrat Girod
Die Umwelt-Firma «South Pole» handelt mit CO2-Zertifikaten. Diese sind teilweise aber viel weniger wert, als versprochen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Zürcher Klima-Firma «South Pole» macht mit CO2-Zertifikaten ein Millionengeschäft.
- Wie internationale Recherchen nun aufdecken, ist eines der grössten Projekte «wertlos».
- Nationalrat Bastien Girod (Grüne) zeigt sich kämpferisch: «Kein Instrument ist perfekt.»
Die in Zürich ansässige Firma «South Pole» gilt als eine der einflussreichsten Klimaberatungsfirmen der Welt. Das Unternehmen hat bereits mehr als 700 Klimaschutzprojekte entwickelt, aus welchen CO2-Zertifikate an grosse Unternehmen verkauft werden.
Auf diese Weise kann ein Unternehmen wie Gucci behaupten, es sei klimaneutral – obwohl es tausende Tonnen CO2 ausstösst. Jedes Jahr. Andere Unternehmen, die sich mit CO2-Zertifikaten von «South Pole» eingedeckt haben, sind Bentley, Holcim, Nestlé oder SAP.
«South Pole» versichert seinerseits, man lege viel Wert darauf, dass der angebotene Marktplatz nicht für «Greenwashing» missbraucht werde. Man betont, es handle sich um freiwillige Projekte, die zusätzlich zu – und nicht anstelle von – Emissionsreduktionen stattfinden würden.
Greenwashing bei «South Pole»
Doch wie «Tamedia» nun berichtet, hat ausgerechnet «South Pole» selbst ein Greenwashing-Problem. Gemäss Recherchen von internationalen Medien soll eines seiner bedeutendsten Kompensationsprojekte grösstenteils wertlos sein: Demnach basiere das Projekt auf «wilden Prognosen». Die niederländische Investigativ-Plattform «Follow the Money» werfe dem Schweizer Unternehmen gar vor, wissentlich «wertlose CO2-Zertifikate» zu verkaufen.
Konkret geht es um das Projekt «Kariba-Waldschutz» in Simbabwe: Gemäss «South Pole» wurde dasselbe 2011 lanciert und habe seither jährlich über 3,5 Millionen Tonnen CO2 eingespart. Beglaubigt wurde das Projekt von «Verra», dem weltweit führenden Zertifizierer für den schnell wachsenden Markt mit freiwilligen Kompensationsmassnahmen.
Projekt in Zimbabwe überschätzt
Das Problem: Wie Recherchen von «Die Zeit» und «Guardian» ergeben, kompensieren 90 Prozent der von «Verra» zertifizierten Projekte weniger CO2 als versprochen. Viel weniger. Beim Projekt «Kariba-Waldschutz» waren es demnach nicht die angegebenen 40 Millionen Tonnen, sondern nur 20 Millionen Tonnen. Eine Überschätzung um satte 100 Prozent.
Gegenüber «CH Media» weist Renat Heuberger die Verantwortung von sich: «Wer Waldschutz betreibt, kann nicht im Voraus wissen, wie viel CO2 genau eingespart wird.» Der Geschäftsführer von «South Pole» führt aus: Genau deshalb überprüfe man alle zwei Jahre, wie viel ein Projekt tatsächlich kompensiere. «Verra» habe diese Überprüfung allerdings erst nach zehn Jahren durchgeführt.
Angesichts der Kritik will «Verra» jetzt alle sechs Jahre die Projekte nachjustieren. Auch «South Pole» hat Konsequenzen gezogen: Bereits im Juli habe man den Verkauf der Kariba-Zertifikate gestoppt. Bereits verkaufte Zertifikate in Höhe von 26 Millionen Tonnen CO2 werde man einer Korrektur unterziehen, um deren Wert zu erhalten. Eine Alternative zum US-amerikanischen Zertifizierer gebe es aber nicht, so Heuberger.
Ursprung der Überschätzung
Trotzdem bleibt die Frage: Wie konnte es passieren, dass eines der grössten Unternehmen im Handel mit Klimazertifikaten sich dermassen verschätzt hat?
Die «CO2-Einsparungen» des Projektes werden anhand des Vergleichs von prognostizierter Abholzung und tatsächlich erfolgter Abholzung vorgenommen: Der Unterschied wird in eine CO2-Menge umgerechnet, für die dann Zertifikate verkauft werden. Diese Menge werde dank des Projektes nicht ausgestossen – oder eben eingespart. Doch die prognostizierte Abholzung lag deutlich über der tatsächlich erfolgten Abholzung. Für die Umwelt mag dies eine positive Entwicklung sein, für den Handel mit Kompensationsmassnahmen nicht.
Bastien Girod sieht keine Alternative
Eines der nationalen Aushängeschilder des Kompensationsmassnahmen-Händlers ist Grünen-Nationalrat Bastien Girod. Er arbeitet seit 2018 bei «South Pole».
Gegenüber «CH Media» zeigt sich Girod kämpferisch: «Kein Instrument ist perfekt, es gibt immer Verbesserungsmöglichkeiten.» Die Kritik am «Ablasshandel» mit Zertifikaten empfindet der Zürcher als störend. Er ist überzeugt, dass es keine Alternative zu den freiwilligen Kompensationsmassnahmen gebe: «Gerade in Entwicklungsländern wird ohne solche Projekte noch weniger passieren.»
CO2-Kompensation in der Kritik
Fakt ist: «South Pole» macht mit dem modernen «Ablasshandel» ein Millionengeschäft und das Geschäft floriert: Das Unternehmen ist mehr als eine Milliarde US-Dollar wert. Tatsächlich stehen Waldschutzprojekte aber schon seit Jahren in der Kritik. Vor drei Jahren kam der US-amerikanische Forscher Forrest Fleischman zum Schluss, dass das beliebte Waldaufforsten häufig keinen Erfolg bringe.
Umweltschützer kritisieren deshalb grundsätzlich das CO2-Kompensieren – notwendig seien weiterhin drastische CO2-Einsparungen. Diese sind aber mit massiven Einschränkungen verbunden, weshalb der Handel mit Kompensationsmassnahmen für viele die einzige gangbare Alternative darstellt.