Corona & Hitze: SBB erklärt Probleme mit Klima-Anlagen
Die SBB wehrt sich gegen Vorwürfe, die Lüftung in Doppelstockzügen sei so schlecht, dass sogar Arbeitsplatz-Grenzwerte verletzt werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die SBB nimmt Stellung zu nicht funktionierenden Klimaanlagen in Doppelstock-Zügen.
- GLP-Nationalrat Martin Bäumle hatte CO2-Werte jenseits des Erlaubten gemessen.
- Am Samstag streikte in einem Intercity die Klimaanlage, bei Aussentemperaturen von 30 °C.
Dicke Luft im Intercity Bern-Zürich letzten Donnerstag, dicke Luft aber auch zwischen GLP-Nationalrat Martin Bäumle und der SBB. Als Bäumle im Erstklasse-Wagen des Doppelstock-Zugs (Dosto) sein CO2-Messgerät zückt, zeigt dieses Werte an, die an einem Arbeitsplatz verboten wären.
Dicke Luft aber auch zwei Tage später im Doppelstöcker von Thun nach Bern. 19:33 fährt der Intercity los, draussen herrschen zu diesem Zeitpunkt immer noch knapp 30 °C.
«Im Zug war es sogar heisser als draussen», erzählt eine Nau.ch-Reporterin, die im Zug mitreiste. Von Klimaanlage oder auch nur Frischluft keine Spur, eine Frau habe sich erschöpft auf den Boden setzen müssen.
Brandalarm und Corona-Risiko
Ihr selbst sei «unwohl gewesen». Damit nicht genug, hielt der Zug um Bahnhof Wankdorf auch noch während zehn Minuten «wegen Brandalarm», hiess es. Die Hoffnungen der Passagier, in fünf Minuten im Bahnhof Bern nach Luft schnappen zu können, zerschlugen sich. Rund dreimal länger blieben die Wagentüren noch geschlossen.
Anhand der CO2-Werte will Bäumle, als Corona-Risikoperson, wissen, wie gut Frischluft allenfalls vorhandene Coronaviren verdünnt. Für ihn ist klar: Bei halbleerem Waggon kommt man auf solche hohe Werte nur mit null Frischluft-Zufuhr.
SBB weist Kritik zurück
Auf Anfrage erklärt die SBB, bei allen klimatisierten Zugtypen seien Sensoren eingebaut, welche die CO2-Konzentration kontinuierlich erfassten, überwachten und regulierten. Bei den Dostos seien je zwei Sensoren in den Klimaanlagen an den Wagenenden. Je nach den Werten der Aussen- und Innenluft, Aussentemperatur und Auslastung des Wagens werde Frischluft zugeführt. Innert einer Stunde werde so die gesamte Zug-Luft ausgetauscht.
Damit sollten gesundheitsgefährdende CO2-Werte und Überhitzung eigentlich vermieden sein. Richtig sei, dass es auf dem fraglichen Zug am Samstagabend einen Brandalarm gegeben habe, der sich aber als Fehlalarm herausstellte.
«Dass sämtliche Klimaanlagen in allen Wagen des IC8 nicht funktionierten, können wir nicht bestätigen.» Generell empfehle man, in einen anderen Wagen zu wechseln, gegebenenfalls würde das Zugpersonal die Reisenden mit Zetteln informieren.
SBB bestätigt «kurzzeitige Störung»
Hingegen zweifelt die SBB die Messung von Atmosphärenphysiker Bäumle und seinem Messgerät eines Schweizer Weltkonzerns nicht an. Denn: «Im erwähnten Zug gab es eine kurzzeitige Störung an der Druckschutzanlage.» Dadurch seien die Druckschutzklappen länger als üblich zu geblieben. Dies wiederum habe dazu geführt, dass die Frischluftzufuhr «länger als normalerweise unterbrochen war.»
Störungen seien insgesamt selten, während Hitzewellen aber etwas häufiger. 8800 Klimageräte habe die SBB im Einsatz. Der Wagen des IC8 von Thun nach Bern wurde wohl Opfer einer der 420 Störungen pro Monat. So viele verzeichnet die SBB im Durchschnitt.
Fraglich ist, ob diese nicht überproportional beim Pannenzug Dosto auftreten: Dieser hatten bei der Einführung unter anderem Klimaanlagen-Probleme.
Bedenken bei Gesundheit der Passagiere
Ungesunde CO2-Werte hat Bäumle im Dosto-Intercity denn schon öfter gemessen, wenn auch nicht ganz so extreme wie letzte Woche. «Die SBB hat die Lüftung bei den Dostos nicht im Griff und überprüft es ganz offensichtlich nicht», ist er überzeugt. Nebst den auch nicht gerade angenehmen Folgen durch die erhöhte CO2-Konzentration wäre bei einer Viren-Welle auch das Ansteckungsrisiko erhöht.
Viel sichtbarer waren die Folgen der Hitze im Dosto am Samstagabend. Verlaufene Schminke sind das eine, Passagiere nahe am Kollaps das andere. Die Nau.ch-Reporterin wundert sich: : «Was, wenn eine Schwangere mitgefahren wäre?»