Corona-Leaks: Bundesamt weigerte sich, chiffrierte Mails zu knacken
In der Affäre «Corona-Leaks» wurde womöglich unrechtmässig ermittelt. Verschlüsselte E-Mails wollten trotz Bedenken geknackt werden, und ein Bericht hat Lücken.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Corona-Leaks sind derzeit das Objekt eines Gerichtsverfahrens.
- Sonderermittler Marti wollte widerrechtlich verschlüsselte Mails knacken lassen.
- Das zuständige Bundesamt hat sich jedoch geweigert, mitzumachen.
Die Corona-Leaks beschäftigen seit einem Jahr die Schweiz. Derzeit läuft beim kantonalen Zwangsmassnahmengericht Bern ein Verfahren: Die Frage ist, ob sich Sonderermittler Peter Marti unrechtmässig E-Mails angeschaut hat.
Das Bundesamt für Informatik und Telekommunikation (BIT) hatte Marti die ganze Mailbox von Peter Lauener, Alain Berset’s Ex-Kommunikationschef übergeben. Der Sonderermittler hatte aber nur sechs Wochen Mailverkehr beantragt. Marti hat dann das ganze Material ausgewertet.
BIT-Informatiker warnte vor «Vertrauensbruch»
Doch die Kontroverse hört nicht hier auf. Marti habe zudem verschlüsselte E-Mails knacken wollen, wie «Tamedia» berichtet. Um dies zu schaffen, habe er sich Verstärkung bei der Kantonspolizei Zürich geholt: die Ermittlungsabteilung für Strukturkriminalität.
Gemäss verlässlichen Quellen sollen jedoch die Zürcher Polizisten zuerst Widerstand von BIT-Mitarbeitenden erfahren haben: Ein Jurist wandte ein, dass es für die Entschlüsselung der Mails eine richterliche Entsiegelungsgenehmigung brauche.
Der Hauptmann der Kapo Zürich habe darauf entgegnet, Peter Marti entscheide, wie vorgegangen werde. Ausserdem gäbe es auch andere Vorgehensweisen, das wisse er aus beruflicher Erfahrung.
Ein Informatiker des BIT sagte zudem, die Entschlüsselung von E-Mails eines Bundesmitarbeitenden wäre ein Vertrauensbruch. Die ganze Bundesverwaltung könnte dem Informatikbundesamt anfangen, zu misstrauen. Und generell habe nur jene Person, der das Mail-Konto gehöre, Zugriff auf verschlüsselte Nachrichten.
Eine Sprecherin des BIT hielt am Donnerstagabend noch fest, dass das Bundesamt beim Entschlüsseln nicht geholfen habe: «Das BIT hat dem Sonderermittler keine verschlüsselten E-Mails zugänglich gemacht.» Dementsprechend wurden nur unchiffrierte Mails analysiert – doch das war auch widerrechtlich.
Corona-Leaks: Interner Bericht ignoriert das Brisante
Weil das BIT die gesamte Mailbox für die Ermittlung zur Verfügung stellte, ordnete Bundesrätin Karin Keller-Sutter eine interne Untersuchung an: Das BIT steht dem Finanzdepartement unter. Der Bericht kommt zum Schluss, dass dies wirklich falsch gelaufen ist.
Mit keinem Wort erwähnt der Bericht jedoch die Vorkommnisse rund um die Entschlüsselung. Auf Anfrage von «Tamedia» stellen die Verantwortlichen klar, dass «alle notwendigen Informationen zugänglich» gewesen seien, um die Untersuchung durchzuführen.
Jetzt wird auf den Entscheid des Berner Gerichts gewartet. Kommt die Richterin zum Schluss, die Mail-Analyse sei in Ordnung? Dann könnte aufgedeckt werden, wie genau vertrauliche Informationen zur Pandemiepolitik zu «Ringier» gelangten.
Entscheidet sie das Gegenteil, könnte das Strafverfahren gegen Peter Lauener scheitern. Zudem bliebe weiterhin unklar, ob und wie viel Alain Berset von der Affäre wusste.