Coronavirus: Das Bundesrats-Reisli ist in Gefahr

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Der jährliche Bundesratsausflug, die sogenannte Schulreise, könnte dem Coronavirus zum Opfer fallen. Traditionsgemäss sollte er Anfang Juli stattfinden.

Karin Keller-Sutter Viola Amherd
Bundesrätin Karin Keller-Sutter, links, und Bundesrätin Viola Amherd, Mitte rechts, anlässlich des Apéro mit der Bevölkerung des Kantons Nidwalden, während der Bundesratsreise in die Zentralschweiz, am Freitag, 5. Juli 2019, in Stans NW. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundesratsreise findet jeweils nach der letzten Sitzung vor den Sommerferien statt.
  • Das Coronavirus könnte der Tradition einen Strich durch die Rechnung machen.
  • Wegen seiner eigenen Empfehlungen muss der Bundesrat eventuell auf den Anlass verzichten.

Ein Event, der alles vereint: Smalltalk zwischen Chef (Volk) und Angestellten (Bundesrat), Apéro, Team Building, Patriotismus, Ferienauftakt und nochmals Apéro. Die Schulreise des Bundesrats, offiziell «Bundesratsausflug», hat seit Jahrzehnten Tradition.

Bestaunen von Sehenswürdigkeiten und kulturellen Exquisitäten, Anstossen mit Otto Normalstimmbürger auf dem Dorfplatz nach der letzten Bundesratssitzung vor den Sommerferien. Jetzt könnte das Coronavirus dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung machen.

Bundesrat durch eigene Massnahmen eingeschränkt

Organisiert wird der Bundesratsausflug jeweils durch den amtierenden Bundespräsidenten. Ueli Maurer entführte letztes Jahr seine Gschpänli nach Schwyz ins Bundesbriefmuseum. Museen wären zwar eigentlich wieder geöffnet, aber Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga wird sich wohl etwas Eigenes ausgedacht haben.

Tschudi Bundesratsreise
Lockerung tat schon vor 50 Jahren Not: Bundespräsident Hans-Peter Tschudi (SP) überspringt am 8. Juli 1970 auf der Bundesratsreise auf den Kronberg oberhalb Gonten ein Hindernis, das seine Kollegen Ernst Brugger, Nello Celio, Bundeskanzler Huber und Pierre Graber, von links nach rechts, seitlich umgehen. - Keystone

In ihrem letzten Präsidialjahr ging es in ihre beiden Heimatkantone Bern und Tessin. Besucht wurde unter anderem ein Asylzentrum in Riggisberg BE, am zweiten Tag in Magadino TI spazierte die Regierung am Strand an Badenden und Touristen vorbei. Beides wäre aktuell nur bedingt möglich: Der Bundesrat hat es selbst in der Hand, sich und allen anderen einiges zu erlauben.

«Derzeit keine Informationen»

Nur: Vorläufig scheint auch die Planung der Bundesrats-Schulreise, wie so vieles, auf Eis gelegt zu sein. «Derzeit können wir Ihnen keine weiteren Informationen dazu geben», heisst es auf Anfrage bei der Bundeskanzlei. Ob überhaupt, und wenn ja, in welcher Form der Team-Ausflug stattfinden wird, werde man «zum gegebenen Zeitpunkt» erfahren.

Die sieben Landesmütter und -väter würden es wohl noch zustande bringen, unter Einhaltung der Hygienevorschriften eine Zweitageswanderung zu absolvieren. Aber das mindestens so elementare Rahmenprogramm wäre mit den derzeit geltenden Empfehlungen kaum möglich. Das obligate «Bad in der Menge» beim lockeren Plaudern mit der Lokalbevölkerung müsste konsequenterweise im Taucheranzug stattfinden.

Begegnung mit der Bevölkerung

Genau diese Begegnung mit der Bevölkerung wird von den Bundesräten jeweils als eins der Highlights des jährlichen Seele-Baumeln-lassens gelobt. Schweizerischer geht es fast nicht mehr: Regierung und Volk auf Augenhöhe, ohne Pomp und Fanfaren. Das gehört genauso dazu wie die Kollegialität unter den Ausflüglern: Man macht jeden Seich mit, den sich der Präsident ausgedacht hat.

Es sei halt «immer sehr interessant, alle Facetten der Schweiz zu besuchen», meinte dazu Bundesrat Alain Berset vergangenes Jahr. Musste er ja sagen, schliesslich hatte er im Jahr zuvor dem Gesamtbundesrat ein Harcore-Metal-Konzert aufgezwungen. Aber wer weiss, Kollegin Sommaruga ist ja selten um Originalität verlegen: Eventuell findet sie ja eine Corona-taugliche Schulreise-Variante.

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