Coronavirus: Das steckt hinter der Zahlen-Manipulations-Theorie

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Sogar der Bundesrat musste schon Stellung nehmen: Werden tatsächlich «normal» Verstorbene als Fälle von Coronavirus gezählt, weil es dann mehr Geld gibt?

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Mahnwache für die Todesopfer der Corona-Pandemie vor dem Bundeshaus in Bern. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Zahl der Corona-Todesfälle werde von Behörden künstlich hoch gehalten.
  • Das Gerücht hält sich seit Monaten in diversen Ländern.
  • Unter anderem fliesse Geld, wenn auf Dokumenten die Todesursache falsch angegeben werde.

Das Gerücht hält sich seit Monaten hartnäckig in den Sozialen Medien und Online-Kommentarspalten: Die Zahl der Corona-Toten werde künstlich aufgebläht. Entsprechende Hinweise werden aus halb Europa zusammengetragen.

Totenschein Coronavirus Covid
Via die Social-Media-Platform «Telegram» wird unter anderem ein Video verbreitet, das beweisen soll, wie bei der Coronavirus-Todesfallstatistik geschummelt wird. - Screenshot Telegram/@buergerinformative

In der Schweiz mussten schon verschiedene Kantonsregierungen und gar der Bundesrat Stellung nehmen. Denn: Es soll Geld geflossen sein, wenn bei Verstorbenen das Coronavirus als Todesursache angegeben wird. Das gehe bis hin zur Bestechung mit Tausenden von Franken. Was ist an der Geschichte dran?

Todesursache Coronavirus bei Krebspatienten und Unfallopfern

Eine der Varianten geht ungefähr so: «Haben Sie den schon gehört? Eine betagte Frau ist die Treppe runtergestürzt und gestorben. Die Rettungssanitäter haben dann aber auf dem Totenschein Coronavirus als Todesursache eingetragen, weil sie so bis zu 4'000 Franken erhalten.» Nicht, dass man jemandem einen Vorwurf machen wollte: «Das Geld kann ja jeder gut gebrauchen in dieser Zeit.»

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Gesundheitsminister Alain Berset beantwortet die Frage von SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann, die um Klarstellung bezüglich «Corona-Prämien» bittet, die die Spitäler angeblich für Todesfälle mit Coronavirus erhalten. - Das Schweizer Parlament

Oder der tragische Fall eines Onkels eines Bekannten, der schwerkrank auf der Intensivstation lag. Je nach Quelle wegen Krebs, Herz-Kreislauf-Problemen oder schlicht hohem Alter. Routinemässig wird auch noch ein Corona-Test gemacht.

Als der Mann stirbt, habe die Witwe nicht schlecht gestaunt: Gemäss Totenschein soll die Todesursache Coronavirus sein. So erhalte das Spital mehr Geld von der Krankenkasse, erklärt man ihr im Vetrauen.

Die Sache hat gleich mehrere Haken

Die Theorie dahinter ist, dass hier jemand – der Staat – Anreize schafft, um möglichst hohe Corona-Todeszahlen vorweisen zu können. Dazu müssten aber Hunderte von Sanitätern, Behördenmitglieder aller Stufen sowie Finanzbuchhalter und deren Buchprüfer eingeweiht sein. Mit lediglich zwei-drei erfundenen Opfern des Coronavirus pro Monat wäre der Effekt zu klein.

Haben Sie auch schon von Betrügereien mit angeblichen Corona-Toten gehört?

Doch die Theorie scheitert bereits viel früher: Auf dem Formular «Ärztliche Todesbescheinigung» wird nur nach natürlichem oder nicht-natürlichem Tod unterschieden. Ein von finanziellen Sorgen geplagter Rettungssanitäter kann gar nirgends eine fingierte Labordiagnose eintragen, selbst wenn er wollte.

Totenbescheinigung Todesursache Coronavirus Covid
Auf einer Totenbescheinigung werden die Todesursachen nur sehr rudimentär unterschieden. Hier Ausriss aus dem entsprechenden Formular des Kantons Baselland, der zusätzlich auch noch wissen will, ob die verstorbene Person einen Herzschrittmacher implantiert hatte, der noch entfernt werden müsste. - baselland.ch / Nau.ch

Ähnlich verhält es sich beim unterstellten Krankenkassen-Bschiss, weshalb auch Bundesrat Alain Berset und sein BAG auf entsprechende Fragen irritiert reagieren. Im nach Tarifpositionen streng reglementierten Schweizer Gesundheitswesen gibt es gar keine Vergütungen je nach Todesursache.

Zwar wurden neu auch spezifische Tarifpositionen für Corona-Patienten eingeführt, aber diese gelten für lebende Personen. Oder anders gesagt: Abgerechnet werden Behandlungen, nicht deren Misserfolg.

Aber halt: Der Videobeweis

Die Debatte um Definitionen, ob nun jemand «an Coronavirus» oder «mit Coronavirus» verstorben sei, ist nicht neu. Die Anhänger der Irreführung-durch-Bestechung-Theorie führen aber weitere Beweise ins Feld. So kursiert ein verschwommenes, wie heimlich gefilmt daherkommendes Video einer Anhörung, das den wahren Skandal aufdecken soll.

«Regierung gibt zu, dass sie Covid-19 auf jeden Totenschein setzt. Egal, ob Tod durch Herzinfarkt, Sturz, Unfall, was auch immer», heisst es dazu.

Das Video ist in Englisch – bei dieser «Regierung» kann es sich also nicht um unseren Bundesrat handeln. Aber: Das Video ist echt! Nur spricht da nicht eine Regierung, sondern der Arzt John Cuddihy in der Anhörung des Corona-Ausschusses des irischen Parlaments.

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Ausschnitte aus der Anhörung des Corona-Ausschusses des irischen Parlaments unter dem Vorsitz des Abgeordneten Michael McNamara. - Tithe an Oireachtais

Er bestätigt: Verstirbt jemand im Spital und der Corona-Test war positiv, wird er als «mit Covid» in der Statistik geführt. Auch wenn der Patient wegen einem Beinbruch oder Herzinfarkt eingeliefert wurde und keine Corona-Symptome zeigte. Analoges gelte auch bei Patienten in Behandlung.

Was stimmt?

Es ist beide Male der Ausschuss-Vorsitzende Michael McNamara selbst, der diese Fragen beantwortet haben will. Aber was genau ist die Auskunft? Experte Cuddihy sagt: In der von McNamara beschriebenen Situation sei dies «ein Toter in einem bestätigten Corona-Fall». Aber: «Solch ein Fall wäre auch Gegenstand eines Bericht des Gerichtsmediziners.»

Coronavirus Irland neue Mutation
Tägliche registrierte Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Irland. - Department of Health (Irland)/geohive

Hier wird er von McNamara unterbrochen, der bemerkt: «Ein solcher Bericht braucht seine Zeit auf dem Weg durchs System.» Das heisse wohl, vorläufig werde ein Corona-Fall registriert, was sich aber später ändern könne. Beides bestätigt Cuddihy.

Lies: Nicht eine Regierung, nicht mal ein Politiker, sondern ein Arzt bestätigt hier etwas. Nämlich dass ein positiv getesteter Toter oder Spitalpatient vorläufig als Corona-Fall geführt wird. Nicht, dass das auf «jedem» Totenschein steht, abgesehen davon, dass dort so etwas eh nie steht.

Genies am Werk

Aber man braucht gar nicht spitzfindig zu bemerken, dass es ja wohl Sinn macht, sicherheitshalber mal alle medizinischen Daten festzuhalten. Oder dass auch in der Schweiz die Zahl der Corona-Toten pro Tag mit einer gewissen Verzögerung erst validiert ist.

Corona-Skeptiker Bern
Polizisten überwachen Corona-Skeptiker auf dem Bundesplatz, am Samstag, 31. Oktober 2020, in Bern. - Keystone

Man könnte sich auch einfach in die Haut des Genies versetzen, welches sich die Corona-Epidemie ausgedacht hat. Es geht um viel, die Weltherrschaft, aber für etwas ist man schliesslich ein Genie. Würde man seinen Plan dann auf Legionen von bestechlichen Sanitätern abstützen und die Hoffnung, dass sich keine «Regierung» verplappert?

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