Coronavirus: Kontroverse um Politiker-Party an der Sondersession
Schweizer Politiker aus verschiedenen Fraktionen sollen an der Session zum Coronavirus eine «illegale Party» gefeiert haben. Was ist daran dran?
Das Wichtigste in Kürze
- Mehr als 50 Politiker haben sich am späten Dienstagabend zum Schlummertrunk getroffen.
- Bei der «Party» nach Ende der Corona-Session sollen die BAG-Regeln verletzt worden sein.
In der Schweiz sind Restaurants wegen der Coronavirus-Pandemie noch bis am Montag geschlossen. Und Menschenansammlungen über fünf Personen sind auch darüber hinaus noch streng verboten. Wer sich nicht daran hält, wurde und wird gebüsst.
Doch offenbar gelten diese Regelungen im Kampf gegen das Coronavirus nicht für unsere Parlamentarier. Nach Ende der ausserordentlichen Session sollen sich am späten Dienstagabend gegen 22.30 Uhr nämlich mehr als 50 Politiker auf ein paar Gläser im Henris auf dem Messekomplex Bernexpo getroffen haben.
Davon berichtete zuerst der «Blick», der monierte: «Parlamentarier nehmen sich Sonderrechte heraus». Zudem heisst es in dem Bericht, dass dabei auch die Abstandsregeln im Kampf gegen das Coronavirus nicht immer eingehalten wurden.
Und: Schliesslich habe die Polizei die Politiker gegen 23.30 Uhr hinaus spediert, aber keine Bussen verteilt. Laut dem «Tages-Anzeiger» bestätigt die Kantonspolizei Bern diesen Sachverhalt auf Anfrage jedoch nicht. Sie sei nicht vor Ort gewesen, so die Kapo.
Politiker: Von Sonderrechten kann keine Rede sein
Was stimmt also? Nau weiss: Das Bier floss in Bern am Dienstag schon um circa 16.30 Uhr und da war das Ende der 14-Stunden-Sitzung noch lange nicht in Sicht.
Offenbar halten viele Parlamentarier die Schilderungen des «Blicks» aber für überzeichnet. Wie der «Tagi» schreibt, hätten Befragte gesagt, von einer Party und Sonderrechten könne keine Rede sein.
Manch einer habe nach der Sitzung noch etwas zu essen geholt und etwas getrunken. Man habe selbstredend auch miteinander diskutiert, alles im gesitteten Rahmen.
Interessant ist: Keiner der befragten Parlamentarier wollte laut der Zeitung mit seinem Namen hinstehen und sich öffentlich zu den Vorgängen äussern. Kollegen verpfeifen ist offenbar ein No-Go.
Wurden Regeln im Kampf gegen Coronavirus eingehalten?
So oder so, die grosse Frage bleibt: Wurden bei der «Party» die BAG-Regeln im Kampf gegen das Coronavirus eingehalten? Der «Blick» äussert Zweifel, bleibt einen stichfesten Beweis aber schuldig.
«Spätestens nach zwei, drei Gläsern Wein dürften sich die kontaktfreudigen Politiker näher gekommen sein», spekuliert das Boulevard-Blatt.
Fotos, die in den sozialen Medien zirkulieren, zeigen zumindest: Die Abstandsregeln wurden von unseren Politikern schon während der Sondersession nicht immer so genau eingehalten.
Parteichefs sind verärgert
Zurück zur «Party»: Bei den Teilnehmern soll es sich um Mitglieder aus verschiedenen Fraktionen gehandelt haben. Entsprechend verärgert sind deshalb einige Parteichefs.
SP-Präsident Christian Levrat (49) etwa sagt zum «Blick»: «Wenn das zutrifft, ist es offensichtlich unzulässig». Der Freiburger war selbst nicht zugegen. Er habe Bern gegen 18 Uhr verlassen und erst nach Veröffentlichung des Artikels vom Apéro erfahren.
Auch CVP-Präsident Gerhard Pfister (57) zeigt sich erzürnt. «Keineswegs gelten für Politikerinnen und Politiker andere Regeln – im Gegenteil, sie haben eine Vorbildfunktion», sagt er. Er habe persönlich «absolut kein Verständnis» für ein solches Verhalten, so Pfister.
Ähnlich äussert sich auch FDP-Fraktionschef Beat Walti (51): «Natürlich gelten für alle die gleichen Regeln. Und von Parlamentarierinnen und Parlamentariern darf sicher auch verantwortungsvolles Handeln erwartet werden.»
Die SVP-Chefs Albert Rösti (52) und Thomas Aeschi (41) meinen lediglich: Sie seien nicht an dem Anlass gewesen. Daher könnten sie nicht beurteilen, ob die BAG-Massnahmen im Kampf gegen das Coronavirus verletzt wurden.
Auch Grünen-Präsidentin Regula Rytz (58) sagt, sie habe «keine Kenntnis, was Parlamentarier und Parlamentarierinnen in ihrer Freizeit tun». Sie selbst habe gearbeitet.