Coronavirus: Läutet Bundesrat heute Normalisierungsphase ein?
An der ersten Sitzung nach der Sommerpause spurt der Bundesrat die weiteren Schritte bei der Bewältigung der Krise um das Coronavirus vor.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat trifft sich heute zu seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause.
- Mit steigenden Fallzahlen und immer mehr Geimpften gibt es Forderungen nach allen Seiten.
- Auch der Bundesrat selbst ist uneinig, ob und wie gelockert oder verschärft werden soll.
Die Sommerpause ist vorbei, die Pandemie ist immer noch da und wird heute die erste Bundesratssitzung seit sechs Wochen prägen. Die Fallzahlen haben sich in dieser Zeit verzehnfacht. Gestiegen ist aber auch die Impfrate von rund einem Drittel auf fast die Hälfte der Bevölkerung. Wie sich die Delta-Variante des Coronavirus ins Gesamtbild einfügt, ist nicht endgültig klar – folgen nun Lockerungen oder erneute Lockdowns?
Gesundheitsminister Berset wiegelt ab
Für Bundesrat Alain Berset drängen sich keine Massnahmen auf, weil die Auslastung der Spitäler derzeit der einzige massgebliche Faktor sei. Schaut man sich das bundesrätliche Drei-Phasen-Modell aus dem Frühling an, sollte eigentlich der Schritt zur Normalisierungsphase folgen. Genau dies fordert die SVP: Die «besondere Lage» müsse sofort beendet werden. Wie ebenfalls schon im Frühling fordert die Volkspartei «verbindliche Termine» und einen «klaren Fahrplan» vom Bundesrat.
Weiterhin kein Thema sein dürfte im Bundesrat ein Impfobligatorium für bestimmte Berufszweige oder Institutionen. Wie bei der Impfkampagne allgemein verweist die Landesregierung auch bei Impfanreizen gerne auf die Kantone. In anderen Detailfragen scheiden sich die Geister, sowohl unter den Parteien wie auch innerhalb des Bundesrats.
Testpflicht, Gratis-Tests und neue Zertifikatsregeln
Auf wenig Begeisterung stösst unter anderem eine Testpflicht für Ungeimpfte beim Gesundheitspersonal. Überlegungen gibt es aber auch hinsichtlich der de-facto-Testpflicht für Club, Stadion und Live-Musik. Wer an solche Zertifikats-Anlässe will, aber nicht geimpft ist, soll seinen Schnelltest selbst bezahlen. Das fordert unter anderem die FDP, denn schliesslich seien die Impfstoffe seit einigen Monaten verfügbar und zeigten Wirkung.
Dies sorgt gar innerhalb des Bundesrats für Uneinigkeit. Wirtschaftsminister Guy Parmelin leuchtet die Überlegung ein, dass nicht der Steuerzahler die Tests von Impfmuffeln berappen sollten. Kollege Alain Berset leuchtet ein, dass der Zugang zu Tests möglichst niederschwellig sein sollte – und damit gratis.
Bersets SP will auch möglichst niederschwellige Impfungen, aber auch mehr internationale Impfgerechtigkeit. «Wenn wir aus dieser Pandemie rauskommen wollen, müssen wir mit der Nabelschau aufhören und dafür sorgen, dass sich der Rest der Welt möglichst rasch impfen kann. Wir sind erst sicher, wenn alle sicher sind», streicht Mediensprecher Nicolas Haesler heraus.
Berset denkt hingegen laut darüber nach, die Zertifikatsregeln zu erweitern. Nicht etwa auf Restaurants und Fitnesscenter, wie dies ebenfalls gefordert wurde. Ihm schwebt vielmehr vor, dass bei Zertifikats-Anlässen parallel auch Personendaten erhoben werden. Damit soll ein allfälliges Contact Tracing erleichtert werden.
Maskenpflicht als nächster Dominostein
Trotz steigender Fallzahlen geht der Bundesrat nicht davon aus, dass demnächst wieder massivere Massnahmen bis hin zum Lockdown nötig werden. Im Gegenteil, der Bundesrat fährt wohl wie schon vor der Sommerpause mit dem «Szenario 2» weiter. In diesem mittleren von drei Szenarien könnte zwar das Gesundheitssystem wieder überlastet werden. Dagegen würde man aber lediglich mit «Basismassnahmen» wie Maskenpflicht oder einer allfälligen Auffrischimpfung antreten.
Bleibt die Auslastung im Gesundheitssystem erträglich, könnte die Maskenpflicht auch ganz oder teilweise aufgehoben werden. Weil das Coronavirus immer wieder für Überraschungen gut ist, will Berset auch einen Lockdown nicht völlig ausschliessen. Neue Entscheide soll es heute keine geben, aber Vorschläge könnten in die Vernehmlassung geschickt werden.
Die FDP hofft, dass baldmöglichst alle Restriktionen aufgehoben werden können. Dazu brauche es aber eine deutlich höhere Impfquote und deshalb eine entsprechende Werbekampagne des BAG. Die SVP warnt dagegen vor einem «indirekten Impfzwang» und einem BAG im «Hysterie-Modus». Die Erwartungen heruntergeschraubt hat dagegen «Die Mitte»: «Uns erscheint ein weiteres Beobachten der Lage nach dem Ende der Sommerferien angezeigt.»