Darum zeigt Nau.ch Mitgefühl für 18°-Schlotteri
Als Journalist soll man sich nicht mit einer Sache gemein machen. Geht es um unterkühlte Arbeitsplätze, zeigt Nau.ch aber Emotionen. Aus Gründen.
Das Wichtigste in Kürze
- Journalisten halten sich gemeinhin für besonders objektiv.
- Entsprechend wird in der Berichterstattung auch nicht gewertet.
- Aus persönlicher Betroffenheit gibts bei Kritik an der 18°-Heiz-Vorschrift eine Ausnahme.
Als Journalist ist man der Objektivität verpflichtet: Egal, ob man die Haltung des Politikers doof oder die Sängerin zum Schreien findet, die persönliche Meinung hat zurückzustehen. Das ist nicht immer leicht, gelingt nie zu 100 Prozent, aber deshalb sind wir nicht die Ärmsten. Dazu kommen wir noch.
Sind Journalisten die Ärmsten?
Als Journalist filtert man auch: Man sieht, hört und liest viel mehr, als im endgültigen Produkt der Leserschaft zugemutet wird. Die grauslichen Hintergründe von Unfällen und Verbrechen, blutige Videos aus Kriegsgebieten. Nackte Tatsachen, von denen man gerne weiterhin nicht träumen wollte, oder «das andere» Bild des verschluckten Ladekabels.
Solches härtet ab, aber es stumpft auch ab. Was soll das Geschrei wegen ein bisschen Arbeitslosigkeit? Das schafft Spielraum für Weiterbildung und immerhin hattet Ihr einen Beruf mit regelmässigen Arbeitszeiten, nicht wie wir Frühaufsteher und Spätheimkehrer. Und wenn Sie der Lieferengpass bei Spielkonsolen derart belastet, haben Sie eindeutig mehr Freizeit als unsereins.
Es darf nur noch bis 18 Grad geheizt werden? Einen Pulli anziehen ist ja wohl kein Drama, solange man nicht mit verstrubbelter Frisur vor die Kamera stehen muss. Das wäre, wenn schon, wirklich schlimm, aber schön, bleiben wir objektiv. Obwohl wir die Ärmsten sind – und dann mussten wir erst noch diese Bilder anschauen, die wir Ihnen nun ersparen.
Energiesparen hatten wir uns anders vorgestellt
Bis es einem selber trifft: Genau jetzt, mit dem Kälteeinbruch und dem ersten Schnee, fällt die Heizung im Büro aus. So passiert bei Nau.ch: Ganz ohne bundesrätliche Vorgabe haben wir Anfang Dezember unfreiwillig unseren Beitrag zu Vermeidung von Energiemangel geleistet. Heizung kalt, Ersatzteil hängt in der Lieferkettenwarteschlaufe.
Immerhin wurden wir nicht arbeitslos, denn in was hätten wir uns schon weiterbilden sollen? Ausser einem lausigen Hochschulabschluss haben wir nichts gelernt. Also war es kalt und mit der Temperaturempfindung kehrten auch die Gefühle für die Mitmenschen zurück. Vielleicht sind ja 18 Grad in der guten Stube tatsächlich nicht so angenehm.
Advent, Advent, mehr als ein Lichtlein brennt
Wenn es denn bei 18 Grad geblieben wäre. Schliesslich ist null Heizung bei unter null Aussentemperatur etwas anderes als der zahme Sparappell von Parmelin und Sommaruga. Umgekehrt proportional zu den Büro-Graden stieg unser Mitgefühl für empörte Kampf-Heizer. Möglicherweise hat auch die Adventszeit das ihrige zum emotionellen Überschwang auf der Nau.ch-Redaktion beigetragen.
In dem Sinne: Frohe Festtage. Versuchen Sie bitte nicht, mit angezündeten Kerzen am Weihnachtsbaum schon vor dem Eindunkeln die Raumtemperatur anzuheben. Genau wie die gepoolten Notstrom-Gruppen in der bundesrätlichen Planung sind Halleluja-Besen nicht für den Dauerbetrieb geeignet.
Machen Sie aber bitte trotzdem kein Geschrei, wenn die Heizung runtergeschraubt werden muss. Jedenfalls so lange nicht, wie sie noch ohne Handschuhe und Heizdecke am Compi sitzen können. Denken Sie besser wärmende Gedanken an diejenigen Mitmenschen, die nun wirklich die Ärmsten sind. Die Journalisten.