Der überbewertete Sitz im Uno-Sicherheitsrat

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Die Schweiz sitzt für zwei Jahre im Uno-Sicherheitsrat. Das ist nicht nichts und wirft Fragen zur Neutralität auf. Zu viel der Aufregung? Ein Kommentar.

Bundeshaus Uno Sicherheitsrat
Das Uno-Logo wird auf das Bundeshaus projiziert. - © EDA

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz ist neu im Uno-Sicherheitsrat vertreten.
  • Das bringt Prestige und Fragen zur Neutralität.
  • Bei beiden Punkten gibt es aber Vorbehalte, ob sie derart ins Gewicht fallen.

Nun sind wir also drin, im höchsten Gremium der Vereinten Nationen, dem Uno-Sicherheitsrat. Nur 15 Länder sind darin vertreten, zwei Jahre lang ist die Schweiz eines davon. Und entscheidet über Krieg und Frieden, beziehungsweise vor allem Frieden, denn das wäre eigentlich die Hauptaufgabe des Sicherheitsrats: «die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit». Ist die Schweiz nun «ganz oben» angekommen, ist die Neutralität in Gefahr, oder ist das alles überbewertet?

Wir sind wer. Wir sind wer?

Der Sicherheitsrat hat weitreichende Kompetenzen und kann teilweise bindende Entscheide fällen. Sanktionen, Verurteilungen, bewaffnete Einsätze: Das geht weiter als diplomatisches Geplänkel. Die Schweiz steht nun im geopolitischen Schaufenster, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Wir dürfen uns wichtig fühlen, debattieren wir doch auf Augenhöhe mit den Weltmächten USA, Russland und China.

Pascale Baeriswyl Uno Sicherheitsrat
Die Schweizer Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl bei der Flaggen-Zeremonie für die neuen Mitglieder im Uno-Sicherheitsrat, am 3. Januar 2023. - UN Photo/Eskinder Debebe

Sicher: Die Schweiz wird ihre eigene, vielleicht unkonventionelle Haltung einbringen. Dass wir deshalb wichtiger wären als die anderen vier Sicherheitsrat-Neulinge – Japan, Mosambik, Ecuador und Malta – darf bezweifelt werden. Oder wichtiger als eines der anderen Ratsmitglieder, von den Veto-Mächten abgesehen.

Uno Sicherheitsrat Saal
Der Sitzungssaal des Uno-Sicherheitsrats in New York. - UN Photo

Oder erinnert sich jemand an die geschichtsträchtigen Sicherheitsratssitzungen anno 2018, als Kasachstan und Äquatorialguinea diese… Dinge sagten? Eben. Kasachstan und Äquatorialguinea wahrscheinlich auch nicht. Und wie viele Länder vor ihnen haben sie nach ihrer Amtszeit weiterexistiert, also ob nichts gewesen wäre.

Uno hat ein Problem mit Neutralität

Was uns zum anderen kontroversen Punkt bringt: Kann ein neutrales Land wie die Schweiz überhaupt im Sicherheitsrat mitstimmen, ohne die Neutralität zu gefährden? Kurze Antwort: Ja, wie zahlreiche andere neutrale Länder bereits bewiesen haben. Zudem sind, im Prinzip, auch Japan und Malta neutral.

Kann die Schweiz im Uno-Sicherheitsrat etwas bewirken?

Doch ja, unproblematisch ist Neutralität im Uno-Kontext tatsächlich nicht. Auch aus Sicht der Uno: Bei der Gründungsversammlung 1945 befanden die «friedliebenden» Nationen, Neutralität sei nicht kompatibel mit den Uno-Zielen. Der Schweiz wurde darum selbst der Beobachter-Status verwehrt.

«Immerwährende Neutralität» gilt eben immer

Die Zeiten ändern sich, die Probleme gingen deshalb aber nicht weg. Theoretisch könnte der Sicherheitsrat Länder verpflichten, an militärischen Operationen teilzunehmen oder zumindest technisch zu unterstützen. Andererseits argumentieren Juristen seit Jahrzehnten, hiesse dies im Fall der Schweiz, deren Neutralität nicht anzuerkennen. Wer aber die Schweiz als Staat anerkennt, akzeptiert sie so, wie sie ist: neutral.

Golan Schweizer Militärbeobachter Uno
Schweizer Militärbeobachter im Einsatz auf den Golan-Höhen im Grenzgebiet von Israel und Syrien. - SWISSINT

Das müssen sich die Länder der Uno-Vollversammlung, die die Schweiz mit Glanzresultat in den Sicherheitsrat gewählt haben, bewusst gewesen sein. Bei den meisten Abstimmungen wird sich die Schweiz denn auch guten Gewissens nicht enthalten müssen. Und ganz teilnahmslos ist die Schweiz in der Uno ja auch nicht: Sie nimmt bereits seit Jahren an diversen friedenssichernden Missionen teil, wenn auch mit sehr kleinen Kontingenten.

Viel Aufwand und Lärm für nichts?

Nichtsdestotrotz scheint der Sitz im Sicherheitsrat für die Schweiz etwas eine Gratwanderung zu sein. Warum hat der Bundesrat dann die ganze Übung mit viel Aufwand und gegen diverse Widerstände durchgezogen? Immerhin scheinen keine grösseren Lorbeeren in Reichweite zu sein.

Wie dem auch sei: Umgekehrt wäre es auch etwas seltsam gewesen, wenn die Schweiz sich in vornehmer Zurückhaltung geübt hätte. Immerhin haben sich schon weit kleinere Nationen wie Kap Verde, Albanien oder St. Vincent und die Grenadinen die Mühe gemacht.

Pascale Baeriswyl Uno-Vollversammlung
Uno-Botschafterin Pascale Baeriswyl spricht zur Uno-Vollversammlung, am 8. Juni 2022 in New York. - Keystone

Im Sicherheitsrat werden zwar heiklere, schwierigere und unmittelbar spürbarere Entscheide vorbereitet. Aber im Prinzip tut die Schweiz dort doch das, was sie in diversen anderen Gremien auch tut. Gespräche führen, «Gute Dienste» anbieten, das Völkerrecht hochhalten. Schoggi und Sackmesser verschenken – natürlich ganz neutral.

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