Deshalb wird Alain Berset 2023 schon wieder Bundespräsident
Nach nur fünf Jahren wird Alain Berset 2023 erneut Bundespräsident. Warum das so sein muss, ist aber nirgends festgelegt.
Das Wichtigste in Kürze
- Ignazio Cassis wird 2022 Bundespräsident, als Vizepräsident rückt Alain Berset nach.
- Damit ist er designierter Bundespräsident für das Jahr 2023.
- Er war 2018 schon Bundespräsident, Karin Keller-Sutter und Viola Amherd aber noch nie.
Im politischen System der Schweiz gehört er zu den Kuriositäten, mit denen sich das Ausland am schwersten tut: der Bundespräsident. Nein, er ist nicht der Chef, nein, der Bundeskanzler erst recht nicht, sorry: Wir haben kein Staatsoberhaupt. Er ist ein «primus inter pares», der Erste unter Gleichen, und ja, letztes Jahr war es ein anderer.
Immer wieder Alain Berset?
Nächstes Jahr übrigens nochmal ein anderer und übernächstes Jahr ist es wieder Alain Berset. Moment, werden jetzt auch Einheimische sagen: War der nicht erst grad dran? Ja, war er, wobei 2020 nicht zählt, da war er «nur» Diktator, aber 2018 war er bereits Bundespräsident. Und nun 2023 wieder, weil ihn nächste Woche das Parlament als Vize von Bundespräsident Ignazio Cassis wählen wird.
Womit wir schon beim ersten der nicht selbstverständlichen Punkte wären: Der Vizepräsident wird im Folgejahr Bundespräsident. Das ist zwar nirgends festgelegt, wird aber seit den 1890er-Jahren so gehandhabt. Das Parlament könnte natürlich auch anders entscheiden und zum Beispiel Karin Keller-Sutter zur Vizepräsidentin wählen. Die war nämlich noch nie dran, aber: Es ist kompliziert.
Niemand will es so genau wissen wollen
Der Spur nach ist der Einwand, Karin Keller-Sutter oder Viola Amherd sollten mal drankommen, aber schon einmal richtig. Das fröhliche Ringelreihen wurde 1891 etabliert, als mit Josef Zemp erstmals ein Katholisch-Konservativer (heute «Die Mitte») Bundesrat wurde. Die anderen sechs, alles Liberal-Radikale (heute FDP), trauten ihm nicht und wollten einen «Bundespräsident Zemp» möglichst hinauszögern. So etablierte sich das Anciennitätsprinzip: Der jeweils Dienstälteste wird Bundespräsident.
Beziehungsweise: Wer schon am längsten nicht mehr oder noch nicht Bundespräsident war. Warum aber wird Alain Berset in einem Jahr zum Frauenverhinderer? Denn seine präsidiumslose Zeitrechnung startet 2019, so wie diejenige von Keller-Sutter und Amherd, die dann ihr Amt antraten. Die Antwort darauf wollen die angefragten Amtsstellen nicht wissen und verweisen gegenseitig aufeinander – oder wollen zumindest nicht zitiert werden.
«Und, haben Sie gedient?»
Das hängt eventuell damit zusammen, dass schon die Formulierung des Kriteriums klingt, als stamme es noch aus dem deutschen Kaiserreich. Was zumindest vom Zeitalter her auch in etwa hinkommen dürfte. Irgendwo in den ungeschriebenen Regeln ist ungeschriebenerweise eine weitere Hürde für Neulinge wie den dubiosen Josef Zemp eingebaut. Diese gibt alteingesessenen Bundesräten im Zweifelsfall den Vorzug.
Bundespräsident – oder, in diesem Fall: Bundespräsidentin – kann nur werden, wer unter allen amtsälteren Bundesratskollegen «gedient» hat. Seit ihrem Amtsantritt standen Keller-Sutter und Amherd unter der Fuchtel von drei Bundespräsidenten: Maurer, Sommaruga und Parmelin.
Nächstes Jahr kommt der um ein Jahr amtsältere Ignazio Cassis dazu. Alain Berset fehlt dann aber immer noch in der Sammlung. Darum ist er es, der erneut zu den hohen und völlig unbedeutenden Weihen kommt.
Schon nach fünf Jahren wieder Bundespräsident zu werden, ist indes nicht derart aussergewöhnlich. Vorzugsweise scheinen allerdings SP-Magistraten von diesem Schicksal betroffen zu sein. So präsidierte Simonetta Sommaruga 2015 und 2020 und Moritz Leuenberger 2001 und 2006.
Aber auch unter Pascal Couchepin (FDP) dienten die Bundesräte 2003 und schon 2008 wieder. Micheline Calmy-Rey wurde wegen der vielen Rücktritte nach 2007 bereits vier Jahre später, 2011, wieder Bundespräsidentin.