Die AHV macht hinderschi: Das kommt mir isländisch vor
Der AHV-Ausgleichsfonds hat 2022 Verlust geschrieben. Warum genau schon wieder? Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Der AHV-Ausgleichsfonds Compenswiss hat 2022 über 12 % Verlust gemacht.
- Versuch einer Erklärung, warum man die Erklärung nicht versteht.
Die meisten Menschen in der Schweiz sind weder Ökonom noch Anlageberater. Aber die meisten Menschen in der Schweiz zahlen AHV. Darum würden sie halt schon gerne verstehen, warum genau der AHV-Ausgleichsfonds Compenswiss im 2022 rund 4,4 Milliarden Verlust erwirtschaftet hat. Wir verstehen es nämlich nur zu gut – aber nicht aus dem Grund, an den Sie jetzt denken. Nein, der auch nicht.
Es ist die Wirtschaft, Dummkopf
Ja, klar: Die Aktien und Anleihen, in die Compenswiss investiert, liefen halt auch nicht besser als die Aktien und Anleihen von Hinz, Kunz, Georg, Fischer, Huber und Suhner. Oder wie man in den USA sagt: It’s the economy, stupid. Das versteht man sogar als Nicht-Ökonom und ohne Frühenglisch.
Die Erklärung von Compenswiss ist gerade für den Laien aber dennoch sehr interessant. Als «wichtige Ereignisse im 2022» nennt Compenswiss deren vier: Der Ukraine-Krieg und die Sanktionen, Inflation/Zinssätze, Credit Suisse Group AG und Kryptowährungen.
Gegenüber dem Wirtschaftsportal «tippinpoint» sagt Compenswiss-Direktor Eric Breval auch: Zum Glück habe man auch in Öl investiert, sonst wäre der Anlageverlust 200 Millionen Franken grösser. Grundsätzlich investiere man aber nachhaltig, steige je länger je mehr zum Beispiel aus Kohle aus.
Zielerreichung aussichtslos
Ein Ziel infolge widriger Umstände zu verfehlen und dann wenigstens auf das Trostpflaster hinweisen: Wer kenn das nicht? Wie, so viele nicht? Gut, dann wollen Sie sicher ein Beispiel aus dem Fundus hören.
Ist schon länger her, der Tag begann eh schon nicht erbaulich, die Nachrichten voll mit isländischen Vulkanen, die den Flugverkehr lahmlegen: Heiliger Eyjafjallajökull nochmal. Dann schneit es auch noch einen Termin rein, 20 Minuten nach der vollen Stunde soll ich da sein. Ab ins Firmenauto, doch das wird kaum reichen, weil wegen einer Grossveranstaltung die Parkierwilligen bis auf die Autobahn zurückstauen.
Also tut man, was man in solchen Fällen immer nicht tun soll: Mit 54,5 km/h durch die Innenstadt. 500 Meter vor dem Ziel wird man abgestraft: Der rechte Vorderreifen dreht auf einem Tramgleis durch, touchiert den Randstein und es geht ihm die Luft aus. Für solche Risiken ist man behelfsmässig abgesichert: Immer schön einen Vorrat an Adrenalin-Spritzen dabeihaben.
Die soll man zwar nicht horten und den dadurch entstandenen Lieferengpass ignoriert man geflissentlich. Aber man trägt schliesslich eine Verantwortung, für, glaub, das Wohlergehen der Gesellschaft oder so ähnlich. Mit derart gedopten Beinen absolviert man die 500 Meter in einer 400er-Zeit und trifft 20 Minuten zu spät ein.
Immerhin: Es könnte imfall schlimmer sein!
Für die Verspätung kann man nichts, mit der Grossveranstaltung war das ja zu erwarten. Den kritischen Fragen zum grenzwertigen Fahrstil weicht man aus. Die halblegale Hormontherapie wischt man mit dem Argument beiseite: «Sonst wäre ich noch zwei Minuten später dran gewesen!» Dass man nicht zum ersten Mal auf Tramschienen ausgerutscht ist, muss man ja nicht extra erwähnen. Stattdessen ruft man aus: «Und dieser Eyjafjallajökull, hab ich recht?»
Das bringt sämtliche Laien der Aviatik und Skandinavistik zum Schweigen. Wie nicht-repräsentative Umfragen zeigen, kann man mit 100 Prozent Erfolgsquote rechnen. Genau so kommt einem als Nicht-Ökonom und Anlagelaie die Argumentation der Hüter unsere AHV-Milliarden vor.
Wir können alle nichts dafür
Compenswiss kann natürlich nichts dafür, dass eine völkerrechtswidrige Grossveranstaltung die Weltwirtschaft ausbremst. Die Öl-Investitionen sind aus dem genau gleichen Grund 2022 mehr wert gewesen. Sie sind zwar nicht gerade gerngesehen, aber man trägt schliesslich Verantwortung für, glaub, die künftige Generation.
Was das Skandaljahr der Credit Suisse Group AG mit dem AHV-Fonds zu tun hat: Offenbar viel, mindestens aber minus 65 Prozent. Dass der Kurs der CS-Aktie in den letzten 15 Jahren nicht zum ersten Mal runterrutscht, muss man ja nicht extra erwähnen. Stattdessen ruft man aus: «Sie wissen ja, wie das ist, mit der Blockchain.»
Nö, wissen wir nicht und müssen wir auch nicht, genauso wenig wie wir Eyjafjallajökull korrekt aussprechen können müssen, um schneller anzukommen. Der AHV-Ausgleichsfonds wollte 2022 gemäss eigenen Angaben gar nicht in Kryptowährungen investieren. Aber tönen tut es halt schon gut: Eyjafjallajökull!