Die Mitte will die Schweiz vor US-Zuständen retten
Dank der «Mitte» gebe es in der Schweiz keine US-Verhältnisse, mit einem gelähmten, gespaltenen Parlament, sagt Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- In den USA kommt es immer wieder zum Patt zwischen Demokraten und Republikanern.
- Die Schweiz kenne dank der «Mitte» keine solchen Zustände, sagt Präsident Gerhard Pfister.
Die Vorzeige-Demokratie USA gibt mal wieder kein gutes Bild ab: Seit Tagen schafft es das Repräsentantenhaus nicht, einen Vorsitzenden zu wählen. Die grosse Kammer des US-Parlaments ist damit in die Warteschlaufe verbannt: Ohne Vorsitz keine Vereidigung, keine Debatten, keine Entscheide.
Rot gegen Blau, fifty-fifty, gespaltene USA
Für Mitte-Präsident Gerhard Pfister ist derweil klar: US-amerikanische Verhältnisse gibt es in der Schweizer Politik nicht – dank der «Mitte». Dabei dürfte Pfister nicht einmal so sehr auf diese jüngste Episode in der Polit-Posse ennet dem Teich angespielt haben. Schliesslich geht es bei der Nichtwahl von Kevin McCarthy um einen Konflikt innerhalb der Republikanischen Partei.
Pfisters Anmerkung, die er beim heutigen Dreikönigsgespräch seiner Partei wiederholte, ist vielmehr auf den fortdauernden Beinahe-Patt in der US-Politik gemünzt. Im Senat wiederholt sich alle zwei Jahre die gleiche Zitterpartie: Können sich Demokraten oder Republikaner eine knappe Mehrheit von oft nur einem einzigen Sitz sichern?
Die beiden Lager sind derart polarisiert, dass sie sich bei den meisten Themen nur schon aus Prinzip nicht einig sind. Die eigentliche Parlamentsarbeit ist gelähmt, überparteilicher Konsens in den seltensten Fällen möglich. Solches gipfelt regelmässig in totalem Stillstand: Wenn beim Budget auch in letzter Minute keine Einigung möglich ist und der Bundesverwaltung das Geld ausgeht.
Rot, Orange, Blau und drei verschiedene Grüntöne
Gerhard Pfister hat natürlich recht bei seinem Vergleich: Die Schweiz macht das bedeutend besser. Liegt es aber vor allem an der Mitte, dass sich die Pol-Parteien nicht gegenseitig schachmatt setzen und Konsens-Lösungen gefunden werden? Rein rechnerisch sicher: Der Parteienregenbogen von grasgrünen Grünen, roter SP, lindgrüner GLP, oranger Mitte, blauer FDP und wiesengrüner SVP ergibt selten eine Patt-Situation.
Die Links- und Rechtsaussen können noch so extreme Forderungen stellen, ohne «Die Mitte» gibt es keine Mehrheiten. Aber was, wenn es die Mitte nicht gäbe? Können die Pol-Parteien nur deshalb so stramm gepolt sein, gerade weil es die abfedernde Mitte gibt? Würden sich andernfalls vorlaute Hardliner mässigen und gemässigte Stimmen eher verlauten lassen?
«Die Mitte» muss nicht sein
Vielleicht. Nur: Weder steht in unserer Bundesverfassung, dass es «Die Mitte» brauche, noch in der US-Verfassung, dass ein Zweiparteiensystem Pflicht wäre. Die US-Gründerväter dachten an Gewaltenteilung, nicht an Parteipolitik, idealistische Motive dominierten, nachdem man sich von der britischen Krone losgesagt hatte. In der Schweiz galt es derweil, das Land nach dem Sonderbundskrieg zu einen und fleissig bei der US-Verfassung abzukupfern.
In der Demokratie, so die damalige Vorstellung, würden die Wähler die Kandidaten aufgrund ihrer Fähigkeiten zugunsten des Gemeinwohls beurteilen. Nicht aufgrund von Wahlkampf-Porträtfotos oder Parteibuch. Folgt man Pfisters Logik, sind diese hehren Absichten in beiden Ländern eklatant an der Realität gescheitert.
In den USA scheint man demnach der Überzeugung zu sein, dass man ganz gut ohne politisches Zentrum auskomme. Und schon selbst wisse, was man tue. Mit den entsprechenden Resultaten.
In der Schweiz hiesse das, dass das Stimmvolk in vorausschauender Selbsterkenntnis freiwillig ein paar Prozent Wischiwaschi-Politiker wählt. Diese sollen die politischen Pole vom gegenseitigen Zerfleischen abhalten. Weil man es sich selbst nicht zutraut, ausschliesslich konsensfähige, gegebenenfalls aber unvorteilhaft abgelichtete Kandidierende in Parlamentssessel zu hieven.